Kachelmann-Prozess:"Scharlatanesk anmutendes Gebaren"

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Kachelmanns neuer Anwalt Johann Schwenn teilt aus: Einer Gutachterin unterstellt er Spekulationen, einen Traumatologen nennt er "Scharlatan" - und auch seinen Vorgänger kritisiert er.

Im Vergewaltigungsprozess gegen den Wetterexperten Jörg Kachelmann geht die Verteidigung in die Offensive. Kachelmanns neuer Anwalt Johann Schwenn stellte am Freitag vor dem Mannheimer Landgericht zahlreiche Anträge und kritisierte zwei Sachverständige scharf.

Jörg Kachelmann und sein streitbarer Verteidiger Johann Schwenn. (Foto: AFP)

Schwenn stellte unter anderem einen Befangenheitsantrag gegen die Sachverständige Luise Greuel. In ihrem Gutachten, auf das sich die Staatsanwaltschaft auch bei ihrer Anklageerhebung stützte, hatte Greuel die Glaubwürdigkeit von Aussagen des mutmaßlichen Vergewaltigungsopfers analysiert.

Die Psychologin ist nach Ansicht Schwenns nicht ergebnisoffen an das Verfahren herangegangen. Er attestierte ihr gar eine "Jagdneigung" zum Nachteil seines Mandanten. In ihrem Gutachten, auf das sich die Staatsanwaltschaft auch bei ihrer Anklageerhebung stützte, seien zahlreiche Spekulationen enthalten, sagte Schwenn. Sie treffe darin psychiatrische Aussagen, die ihr als Psychologin nicht zustünden.

Das Gericht will über den Antrag nächste Woche entscheiden.

Der Verteidiger Kachelmann sorgte außerdem dafür, dass der Koffer mit Unterlagen des Therapeuten des mutmaßlichen Opfers, Günter Seidler, beschlagnahmt wurde: Spätestens hier hatte der 17. Tag im Kachelmann-Prozess groteske Momente. Der als Zeuge geladene Traumatolge gab den Inhalt freiwillig ab und zeigte unter anderem eine leere Brotdose. Außerdem übergab er zwei Terminkalender und eine Liste mit Verhandlungsterminen. Die Strafkammer nahm auf Wunsch von Verteidiger Johann Schwenn und Pflichtverteidigerin Andrea Combé Koffer und Kofferinhalt mitsamt Brotdose an sich.

Überraschende Anträge

Die Beschlagnahmung begründete Schwenn mit E-Mails und Gesprächen zwischen Seidler, dem Anwalt der Nebenklägerin, der Staatsanwaltschaft und dem Vorsitzenden Richter, die bislang nicht aktenkundig seien. "Diese Dinge sind für die Vernehmung der Zeugin und für das weitere Verfahren von Bedeutung."

Darüber hinaus sprach Schwenn dem Zeugen Seidler jegliche Kompetenz ab und sprach von "scharlatanesk anmutendem Gebaren" : "Wenn jemand der Auffassung ist, dass er Todesangst riechen kann, hat man es mit einem Scharlatan zu tun. Wenn jemand seiner Patientin mitteilt, er habe die Freilassung des Angeklagten geträumt, dann kann man das nicht besonders professionell nennen."

Bei der Frage der Zulassung der Öffentlichkeit zum Prozess wandte sich Schwenn explizit gegen die Strategie seines Vorgängers Birkenstock und beantragte, Seidler zumindest teilweise öffentlich zu hören. Die Kammer lehnte dies ab. Schwenn gab daraufhin mehrfach zu verstehen, dass ein zu weitgehender Ausschluss der Öffentlichkeit ein möglicher Revisionsgrund ist: "Es geht darum, dass die Öffentlichkeit ihre Kontrollfunktion wahrnehmen kann." Er ließ durchblicken, dass seiner Ansicht nach auch zahlreiche Zeuginnen erneut vernommen werden müssen.

Staatsanwalt Lars-Torben Oltrogge zeigte sich von dem Strategieschwenk überrascht: "Das ist eine neue Linie der Verteidigung, diesen Antrag hat wohl keiner vorausgesehen."

Erneut griff Schwenn auch den Burda-Verlag an, der Exklusivverträge mit mehreren Zeuginnen abgeschlossen habe. Dies stelle nicht nur die Glaubwürdigkeit der Zeuginnen infrage. "Wenn ein nicht wegen der Qualität seiner Produkte, sondern wegen seiner Wirtschaftskraft bedeutendes Verlagshaus sich hier so engagiert wie es der Burda- Verlag tut - nicht nur mit der Bunten, sondern auch mit dem Focus - dann hat das Gründe, die die Öffentlichkeit interessieren sollten." Der Verlag wollte zu dem Angriff keine Stellungnahme abgeben.

Die eigentliche Zeugenvernehmung Seidlers wurde nach einer Pause am Nachmittag auf den nächsten Verhandlungstermin (8. Dezember) verschoben. Der Sachverständige hatte bereits Ende Oktober im Verfahren ausgesagt. Nun soll auch der psychiatrische Sachverständige Hans-Ludwig Kröber erst zu diesem Zeitpunkt gehört werden. Ihm kommt es zu, die "Aussagetüchtigkeit" der 37- jährigen Radiomoderatorin zu beurteilen, die Kachelmann beschuldigt, sie bedroht und vergewaltigt zu haben.

Der Moderator bestreitet dies - und hat nun einen Verteidiger an der Seite, der in einem zuletzt ruhigeren Prozess unvermittelt für mächtigen Wirbel sorgt.

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