Kachelmann-Prozess:Ein Päckchen Kondome in den Knast

Im Verfahren gegen Jörg Kachelmann werden anzügliche Details ausgebreitet. Der Wahrheitsfindung dient das kaum. Für Aufregung sorgt unterdessen die Verhaftung eines dpa-Journalisten, der beschuldigt wird, die Richter abgehört zu haben.

Hans Holzhaider

Nach langer Zeit wird im Prozess gegen Jörg Kachelmann wieder einmal öffentlich verhandelt - und schon wird vor dem staunenden Publikum eine ganze Palette ziemlich intimer Details ausgebreitet. Erstaunlicherweise geschieht das unter den strengen Augen des Gerichts, ohne dass irgendjemand daran Anstoß nimmt. Jörg Kachelmanns Verteidiger Reinhard Birkenstock macht von seinem Recht Gebrauch, eine Erklärung zu den vorangegangenen, nicht öffentlichen Zeugenvernehmungen abzugeben und tut dabei, was eigentlich mit Strafe bedroht ist: Er teilt Einzelheiten aus der nicht öffentlichen Sitzung mit.

Fortsetzung des Prozesses gegen Joerg Kachelmann

Anzügliche Details und unglaubwürdige Zeuginnen: Der Prozess gegen Jörg Kachelmann bietet ausreichend Material für die Boulevardpresse, weniger allerdings für die Wahrheitsfindung.

(Foto: dapd)

Zum Beispiel aus der Vernehmung der Zeugin Claudia D., der Frau, die angegeben hat, sie sei von Kachelmann mit einem Messer bedroht und vergewaltigt worden. Sehr ungewöhnlich sei es, trägt Birkenstock vor, dass die Zeugin einem Richter das Wort "Unverschämtheit" entgegen geschleudert habe, nachdem dieser sie gefragt hatte, warum sie nach einem anonymen Hinweis auf die Untreue ihres Geliebten nicht in dessen Taschen nach Belegen für diese Behauptung gesucht habe.

Auch bei einer anderen Frage habe Claudia D. unangemessen schnippisch reagiert, moniert der Verteidiger. Es ging dabei um die Aussage der Zeugin, Kachelmann habe bei der Vergewaltigung einen Tampon aus ihrer Scheide entfernt. Der beisitzende Richter Bock fragte, ob man dabei, bei geschlossenen Beinen, nicht mit körperlichem Widerstand rechnen müsse. Das habe die Zeugin mit der Gegenfrage beantwortet, ob der Richter "aus eigener Erfahrung" spreche. Richter Bock sagt dazu, er habe die Zeugin ja auch "nicht zimperlich angefasst, man könnte sogar sagen, provoziert". "Das haben wir alle sehr genossen", entgegnet Verteidiger Birkenstock. Richter Bock kann sich ein feines Lächeln nicht verkneifen.

Den besonderen Zorn der Verteidigung hatte sich die Zeugin Katharina T. zugezogen, eine der früheren Geliebten Kachelmanns, die am letzten Montag, ebenfalls unter Ausschluss der Öffentlichkeit angehört wurde. Sie hatte, wie Birkenstock jetzt mitteilt, auf beharrliche Nachfragen zugeben müssen, dass sie ihre Geschichte schon vor ihrer Zeugenaussage an die Bunte verkauft hat. Bei Frau T., erklärt Birkenstock, falle die "überraschende Intensität ihres Stimmungswandels" gegenüber dem Angeklagten auf.

Kurz nach dessen Verhaftung habe sie diesem noch eine "Unterstützungsmail" geschickt - "I stand by you" - im April seien ihre Gefühle dann in Hass umgeschlagen, offensichtlich nachdem sie erfahren hatte, dass Kachelmann neben ihr noch mehrere andere Geliebte hatte. An ihn, Birkenstock, habe die Zeugin im Mai eine Rechnung über 3700 Euro geschickt, für Geschenke, die sie Kachelmann gemacht hatte. Zu seinem 52. Geburtstag bekam Kachelmann in der Untersuchungshaft ein Päckchen von Katharina T.: Kondome und eine Intimwaschlotion - "eine relativ intensive Geschmacklosigkeit", rügt Birkenstock.

Viele Details, wenig Klarheit

Zur Aufklärung der Frage, ob Kachelmann seine Geliebte Claudia D. vergewaltigt hat oder nicht, trägt das alles wenig bei. Ein Indiz in dieser Richtung könnte ein Telefongespräch zwischen Kachelmann und Katharina T. sein, das am Vormittag des 9. Februar, am Tag nach der behaupteten Vergewaltigung stattfand. Eine Zeugin berichtet, was ihr Katharina T. kurz danach von diesem Telefonat erzählt habe: Kachelmann sei "ganz komisch" gewesen, "total bedrückt und fahrig", sie habe ihn so noch nie zuvor erlebt. Was der Inhalt des Gesprächs war, wisse sie jedoch nicht.

Verteidiger Birkenstock kontert mit der Verlesung einer Reihe von E-Mails, die Kachelmann spät nachts und am nächsten Vormittag vom Hotel aus geschrieben habe, also unmittelbar nachdem er sich, seiner Darstellung zufolge, in gutem Einvernehmen von Claudia D. verabschiedet hatte. Die Mails, teils privat, teils geschäftlich, sind völlig banal und lassen keinerlei Rückschluss auf eine aufgewühlte Stimmung des Absenders zu.

Sehr konkret ist dagegen die Aussage einer Assistenzärztin an der Universitätsklinik Heidelberg, die Claudia D. am Vormittag nach der behaupteten Vergewaltigung untersucht hatte. Die Patientin habe ihr eine angeblich von einem Messer stammende Verletzung am Hals gezeigt; sie habe außerdem eine rötliche Kratzspur am linken Unterarm und "beginnende Hämatome" an den Innenseiten der Oberschenkel festgestellt. Ein ähnliches Hämatom habe sie schon einmal bei einem Vergewaltigungsopfer gesehen, sagt die Ärztin. Verletzungen im Genitalbereich habe sie nicht festgestellt.

Nach Ende des 15. Verhandlungstags wurde auch ein dpa-Korrespondent vor dem Gerichtsgebäude in Mannheim vorläufig festgenommen. Dem Redakteur der Deutschen Presse-Agentur wurde die Festnahme mit dem Verdacht begründet, die Richter der 5. Großen Strafkammer des Mannheimer Landgerichts illegal abgehört zu haben. Die dpa-Chefredaktion wies diesen Vorwurf entschieden zurück und protestierte gegen die "massive Behinderung der Berichterstattung".

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