Eklat im Kachelmann-Prozess:Verteidiger unterbricht ungestüm Plädoyer des Anklägers

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Aufsehenerregender Schlagabtausch beim Prozess gegen den TV-Moderator: Die Verteidigung unterbricht nach wenigen Minuten barsch das Plädoyer der Staatsanwaltschaft - und beantragt den Ausschluss der Öffentlichkeit. Der Ankläger hatte einen intimen Chat mit dem mutmaßlichen Opfer öffentlich gemacht, "um Kachelmann bloßzustellen".

Hans Holzhaider, Mannheim

Im Vergewaltigungsprozess gegen den Wettermoderator Jörg Kachelmann hat die Verteidigung beantragt, die Öffentlichkeit beim Plädoyer der Staatsanwaltschaft zeitweise auszuschließen. Bereits wenige Minuten nach Beginn des Plädoyers von Staatsanwalt Lars-Torben Oltrogge vor dem Landgericht Mannheim, wurde er von Verteidiger Johann Schwenn barsch unterbrochen - ein höchst ungewöhnlicher Vorgang vor einem deutschen Gericht.

TV-Moderator Jörg Kachelmann mit seinem Verteidiger Johann Schwenn, der nun vor Gericht für einen Eklat sorgte. (Foto: REUTERS)

Schwenn warf dem Staatsanwalt vor, er wolle seinen Mandanten vorführen mit der Angabe von intimen Details und benutze "die letzte Gelegenheit, den Angeklagten bloßzustellen". Es sei die Strategie der Staatsanwaltschaft, Kachelmann "maximal zu beschädigen". Wenn das Gericht das nicht unterbinde, werde auch er sich nicht mehr an die Vereinbarung halten und entsprechende Details über das mutmaßliche Vergewaltigungsopfer öffentlich machen, drohte er. "Gleiches Recht für alle."

Das Gericht zog sich nach dem Wortgefecht zur Beratung zurück und suchte nach einer einvernehmliche Lösung zwischen Verteidigung und Staatsanwaltschaft. Inzwischen geht der Prozess mit neuer Maßgabe weiter.

Was den Verteidiger so aufgebracht hatte, war ein eigentlich eher harmloses Zitat. Oltrogge hatte zu Beginn seines Plädoyers den Nachmittag vor der angeblichen Tat geschildert. Er zitierte dazu aus einem Chat, der zwischen Kachelmann und seiner Ex-Geliebten vor der mutmaßlichen Vergewaltigung stattgefunden hatte. "Vielleicht musst du nichts zu essen machen zur Zeitersparnis für unsere Hauptaufgabe." Mit der Hauptaufgabe sei Sex gemeint gewesen, so Oltrogge.

Das Zitat spielt in der Beweisführung der Staatsanwaltschaft keine ganz unwichtige Rolle, denn von "Zeitersparnis" könne ja, führte Oltrogge aus, nur die Rede sein, wenn - wie von der Nebenklägerin geschildert - das Essen vor dem Sex gekommen wäre. Kachelmann dagegen hatte in seiner einzigen Aussage zur Sache vor dem Ermittlungsrichter den Ablauf so dargestellt, als hätte seine Ex-Geliebte ihn an diesem Abend, wie auch sonst immer, schon halb entkleidet auf dem Bett erwartet.

Schwenn sah in der Öffentlichmachung des Chats eine Verletzung der Persönlichkeitsrechte seines Mandanten. Mitten während der Rede des Anklägers sprang er wortlos auf, lief zum Vorsitzenden Richter und fing eine Diskussion an. Oltrogge reagierte verblüfft, sagte noch einen Halbsatz, verstummte dann und beobachtete die geflüsterte Diskussion am Richtertisch.

"Ich lasse mir von der Verteidigung nicht das Wort verbieten"

Der Vorsitzende Richter Michael Seidling erinnerte daran, dass die Beteiligten sich darauf verständigt hätten, die Persönlichkeitsrechte des Angeklagten und der Zeuginnen zu wahren - und keine Details aus nicht öffentlichen Sitzungen preiszugeben. Er könne nur darum bitten, das zu unterlassen.

"Ein Staatsanwalt kann nicht gezwungen werden, auf solche Details zu verzichten", sagte Oltrogge. Er sei nicht in der Lage das so penibel zu trennen, wenn sein Plädoyer plausibel bleiben solle. "Ich lasse mir von der Verteidigung nicht das Wort verbieten", erklärte Oltrogge.

Schwenn beantragte daraufhin, die Öffentlichkeit für die Dauer des Plädoyers auszuschließen. Doch das wollte das Gericht unbedingt verhindern. Nach einer kurzen Beratung erklärte Seidling, dem Gericht liege sehr dran, dass das Plädoyer öffentlich stattfinde - "alles andere wäre der Transparenz abträglich". Er unterbrach die Verhandlung für eine halbe Stunde und zog sich mit Verteidigung und Staatsanwaltschaft in einem Nebenraum zurück.

Dort gelang es dem Gericht offenbar, die Wogen zu glätten - inzwischen geht das Plädoyer weiter. Öffentlich. Der Staatsanwalt habe sich bereit erklärt, keine anstößigen Details mehr in seiner Rede zu benennen, hieß es nach der Beratung. Und falls doch, werde er das vorher ankündigen, damit das Gericht die Öffentlichkeit zumindest für diesen Moment ausschließen könne.

Kachelmann drohen fünf bis 15 Jahre Haft

Mit der Forderung eines konkreten Strafmaßes ist in Mannheim frühestens am Nachmittag zu rechnen. Die Vertreter der Anklage werden vermutlich eine Verurteilung des 52-Jährigen wegen Vergewaltigung fordern. Nach ihrer Ansicht sind die Angaben des mutmaßlichen Opfers glaubwürdig.

Kachelmann, dem eine Haftstrafe von fünf bis 15 Jahren droht, bestreitet die Vorwürfe. Ob er verurteilt wird, hängt maßgeblich davon ab, wie das Gericht die Glaubwürdigkeit des Opfers bewertet. Die Indizien sind aber mehrdeutig. Am Nachmittag soll dann auch der Vertreter des mutmaßlichen Opfers sein Plädoyer halten. Das Gericht soll am 31. Mai sein Urteil verkünden, mehr als 15 Monate nach der angeblichen Tat.

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