Süddeutsche Zeitung

Winterbesteigung des K2:Der Wilde ist bezwungen

Minus 50 Grad, Eis- und Steinschlag, extreme Bedingungen: Der K2 war der letzte Achttausender, der im Winter noch nicht bestiegen wurde, obwohl es seit 40 Jahren immer wieder Versuche gab. Nun gelang mehreren Nepalesen das scheinbar Unmögliche.

Von Nadine Regel

Zehn Meter unter dem zweithöchsten Gipfel der Welt sammelten sie sich, denn die Erstbesteigung des K2 im Winter sollte ein gemeinschaftlicher Erfolg sein. Die zehn nepalesischen Bergsteiger stimmten die nepalesische Hymne an und marschierten dann gemeinsam zum Gipfel. Punkt 17 Uhr am Samstag, so berichteten sie später, standen sie oben. Das Gipfelfoto zeigt stolze und überglückliche Bergsteiger, unter ihnen Nirmal Purja, der wenig später auf seinem Instagram-Account den Gipfelerfolg als "historisches Ereignis für die Menschheit" und im Speziellen für Nepal bezeichnete. Nirmal Purja war früher britischer Elitesoldat, er ist auf dem nepalesischen Flachland aufgewachsen, vergangenes Jahr hat er alle Achttausender in weniger als sieben Monaten bestiegen.

"Historisch" ist ein großes Wort, tatsächlich aber ist der Erfolg der Nepalesen etwas Besonderes: Der 8611 Meter hohe K2 im pakistanischen Karakorum-Gebirge war der letzte Achttausender, der im Winter unbestiegen blieb. Seit den 1980er-Jahren versuchten sich Teams im Winter an der beeindruckenden Eispyramide. Über 7650 Meter kam bisher niemand hinaus, alle scheiterten sie an den extremen Wetterbedingungen im Winter: minus 50 Grad, der unberechenbare Jet-Stream, Eis- und Steinschlag, kurze Tage. Dieses Jahr versuchten sich mehrere Expeditionen mit etwa 60 Teilnehmern am Berg, so viele wie noch nie.

Der "Savage Mountain", der unbezwingbare Wilde, ist auch in diesem Jahr seinem Namen gerecht geworden. Noch vor einer Woche zerstörten starke Winde Camp zwei. "Ich bin erschüttert, dass ich diese Nachrichten überbringen muss", teilte Nirmal Purja am 10. Januar mit. Jegliches Equipment, das sie für den Gipfelversuch brauchten und unter großen Strapazen nach oben geschleppt hatten, hatte der Sturm hinweggefegt. Plan B sah vor, sich mit zwei anderen nepalesischen Teams zu vereinen, Ausrüstung aus den tiefer gelegenen Camps zu holen (jeder musste 35 Kilogramm tragen) und Fixseile entlang der Route zu etablieren.

Am Freitag gelangten die Bergsteiger dann bis Camp vier auf 7800 Metern - der Gipfelerfolg war da schon abzusehen. "Diese Besteigung ist eine große Anerkennung für alle Sherpas und nepalesischen Bergsteiger, die schon vielen anderen geholfen haben, ihre Besteigungen umzusetzen", schrieb Kilian Jornet, ein katalanischer Extrem-Bergläufer, der den Mount Everest in 26 Stunden alleine erklommen hat, auf Instagram. Zu oft seien sie dabei im Schatten gestanden, obwohl sie die harte Arbeit geleistet haben. Eine neue Ära sei angebrochen, in der Nepalesen eigene, anspruchsvolle Besteigungen durchführen werden. Weil die Nepalesen Sauerstoff-Flaschen verwendeten, gibt es allerdings auch Kritik in der Szene. Denis Urubko, dessen Winterbesteigungsversuch 2018/19 am K2 scheiterte, schrieb: "Zusätzlicher Sauerstoff ist ein gewaltiges Doping."

Nach ihrem Erfolg stiegen die Bergsteiger zu Camp drei ab, das sich auf etwa 7500 Metern befindet. Am Sonntag wollen sie das Basislager auf 5000 Metern erreichen. Spätestens dort werden sie auch vom Tod des Katalanen Sergi Mingote erfahren, der noch im Akklimatisierungsprozess war. Beim Abstieg von Camp eins auf 6050 Metern zum vorgelagerten Basislager stürzte der 49-jährige, sehr erfahrene Extrembergsteiger am Samstag etwa 600 Meter in die Tiefe. Er erlag wenig später seinen schweren Verletzungen.

Mingote startete 2019 sein Projekt "14X1000 Catalonia" und wollte alle Achttausender ohne Sauerstoff innerhalb von 1000 Tagen besteigen. Seine Pläne wurden von Corona durchkreuzt. Am K2 wollte er mit seinem Team alternativ eine Winter-Besteigung ohne zusätzlichen Sauerstoff versuchen.

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