Jyllands Park Zoo:Marius, der Zweite

Jyllands Park Zoo: Giraffenbulle Marius wurde geschlachtet, einem Namensvetter droht das gleiche Schicksal

Giraffenbulle Marius wurde geschlachtet, einem Namensvetter droht das gleiche Schicksal

(Foto: Keld Navntoft/Scanpix/AFP)

Und täglich grüßt die Giraffe: In einem weiteren dänischen Zoo droht einem Giraffenbullen namens Marius der Bolzenschuss. Er soll Platz für ein Weibchen machen. Die Arterhaltung ist wichtiger als ein einzelnes Giraffenleben.

Von Sonja Salzburger

Der Name Marius bedeutet "der Männliche" und genau auf diese Eigenschaft dürften sich dänische Giraffenbullen derzeit reduziert fühlen, würden sie die Fähigkeit zur Reflexion besitzen. In einigen menschlichen Kulturkreisen wünschen sich viele Eltern nichts sehnlicher als einen männlichen Nachkommen. Ganz anders sehen das Europas Giraffenzüchter. Männlich zu sein, ist Marius aus dem Kopenhagener Zoo am vergangenen Sonntag zum Verhängnis geworden. Wäre er eine Giraffenfrau gewesen, würde er heute noch munter durchs Gehege stapfen, stattdessen wurde er erschossen und den Löwen zum Fraß vorgeworfen.

Männern wird nachgesagt, sie seien vor allem darauf aus, ihre Gene an möglichst viele Frauen weiterzugeben, um die Art zu erhalten. Doch während Menschenmänner mit dieser Ausrede für ihre Seitensprünge nur selten punkten, wird von männlichen Giraffenbullen gar nichts anderes erwartet, als dass sie ihre Potenz voll und ganz im Sinne der Evolution einsetzen. Wenn sie das nicht können oder sich ihr Genmaterial nicht ausreichend von dem ihrer Gehege-Genossen unterscheidet, müssen sie Platz machen für fruchtbarere Artgenossen.

Marius Namensvetter

Im Jyllands Park Zoo, etwa 300 km nordwestlich von Kopenhagen, könnte nun einem weiteren Giraffenbullen namens Marius der Tod drohen. Sein Genmaterial sei ebenso wie das seines Namensvetters wegen Inzuchtgefahr nicht zur Zucht geeignet, sagte Tierpflegerin Janni Løjtved Poulsen dem Guardian.

Der Zoo hat zwei männliche Giraffen und eine Zusage, beim Zuchtprogramm der Europäischen Vereinigung von Zoos und Aquarien (EAZA) teilzunehmen. Für die Begattung ist schon jetzt Marius' Gehege-Kollege ausgewählt worden, der das bessere Genmaterial besitzt. Sobald dem Zoo eine weibliche Giraffe angeboten wird, muss Marius wahrscheinlich geschlachtet werden, sagte Poulsen dem Guardian. Giraffen sind Herdentiere, allerdings genügt ein Bulle pro Herde. Falls mehr männliche Artgenossen zusammen sind und sie sich nicht aus dem Weg gehen können, fangen sie an, um die Weibchen zu kämpfen.

Über das endgültige Schicksal von Marius, dem Zweiten, wird letztendlich der Leiter des Zucht-Programmes entscheiden, sagte die Tierpflegerin. "Wenn wir aufgefordert werden, den Giraffenbullen zu töten, werden wir das selbstverständlich tun." Es sei unwahrscheinlich, dass sich für Marius ein geeignetes neues Zuhause finden lasse. Ob die Giraffe nach ihrem Tod auch öffentlich verfüttern werde, stehe noch nicht fest.

Die Proteste nach dem Tod der Giraffe Marius aus Kopenhagen scheinen die Mitarbeiter des Jyllands Park Zoo wenig zu beeindrucken. "Das beeinflusst uns kein bisschen. Wir stehen geschlossen hinter Kopenhagen und hätten in dieser Situation genauso gehandelt", sagt Poulsen. Unter dem Hashtag #savemarius protestieren bereits zahlreiche Tierfreunde auf Twitter gegen die mögliche Tötung des zweiten Giraffenbullens.

Zoos müssen für die Arterhaltung sorgen

Peter Dollinger, Geschäftsführer des Verbands Deutscher Zoodirektoren, hat das mediale Echo rund um den Tod der Giraffe Marius aus Kopenhagen aufmerksam verfolgt. Der promovierte Tierarzt las jeden Artikel, den er im Internet finden konnte, sogar Texte aus dänischen Medien. Es wundert ihn, wie Menschen sich so sehr über den Tod einer einzelnen Giraffe aus Dänemark aufregen können, obwohl im gleichen Land jeden Tag 25.000 Schweine geschlachtet werden. Wahrscheinlich liege es daran, dass das Tier einen Namen hat, sagt der Verbandsgeschäftsführer. "Dann stirbt in den Augen der Öffentlichkeit kein namenloser Giraffenbulle, sondern der Giraffenbub Marius wird ermordet." Das berühre die Menschen viel mehr.

Dollinger selbst teilt die Empörung nicht, er kann die Entscheidung des Kopenhagener Zoos absolut nachvollziehen. Seiner Meinung nach sind Zoos heute nicht nur dafür da, den Menschen schöne Tiere zu zeigen. Vielmehr hätten sie die große Verantwortung, dafür zu sorgen, dass seltene Arten erhalten bleiben. Und diese Aufgabe ließe sich nun einmal nicht mit Giraffenbullen erfüllen, deren Blutlinien im Zuchtbuch übervertreten sind.

Giraffen vom Aussterben bedroht

Insgesamt gibt es in Europa derzeit etwa 850 Giraffen und jeder Platz in einem Zoo sei kostbar, erklärt der Geschäftsführer des Verbands deutscher Zoodirektoren. Das liege daran, dass der Bestand der Netzgiraffen in freier Wildbahn in den vergangenen 15 Jahren dramatisch zurückgegangen sei. 1998 haben in Afrika noch 28.000 Exemplare gelebt, 2013 ist der Bestand auf etwa 4.700 geschrumpft. Angesichts dieser dramatischen Zahlen müsse sich jeder Zoo gut überlegen, ob er einen Platz für einen kastrierten Bullen opfern kann. "Giraffenochsen sind genetisch tot und nur noch als Ausstellungsstück geeignet", sagt Dollinger.

Über vermeintliche Tierschützer, die angeboten haben, Marius bei sich zu Hause aufzunehmen, kann er nur den Kopf schütteln. Eine Giraffe brauche viel Auslauf und einen hohen Stall, der zudem noch entsprechend temperiert sein muss - so einen Stellplatz im eigenen Garten einzurichten, koste Millionen.

Update:Jyllands Park Zoo dementierte am Freitag die Aussagen der Tierpflegerin Poulsen im Guardian, den siebenjährigen Giraffenbullen namens Marius töten zu wollen, sofern sich kein anderer Zoo bereit erklären sollte, das Tier aufzunehmen. "Es gibt keinen solchen Plan, es hat ihn auch nie gegeben", teilte der Zoo am Freitag mit.

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