Juwelenraub in Cannes:Im Bann des rosaroten Panthers

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Das Hotel Carlton an der Strandpromenade von Cannes: Der Dieb marschierte einfach herein, schaufelte die Juwelen in seinen Koffer und verschwand wieder.

(Foto: AFP)

Sie lassen sich in Safes einschließen, verkleiden sich als Frauen, räumen Flugzeuge leer und durchbrechen Panzerglas - nichts scheint die Juwelendiebe stoppen zu können. Auch in Cannes dürfte ein Profi zugeschlagen haben.

Von Martin Zips

Lew Awnerowitsch Lewiew ist ein vermögender Mann. Das Diamantenschleifen hat er schon in seiner Jugend gelernt. In Israel, wohin seine Familie aus Usbekistan einst ausgewandert ist. Heute gehören ihm Diamantenminen in Russland und Afrika. Mit den dort gewonnenen Steinen hat Lewiew, 57, mittlerweile Milliarden gemacht - und gerne zeigt er seine Schmuckstücke her. Dieser Tage zum Beispiel auf einer Schau im schönen Hotel Carlton an der Croisette in Cannes. Schon oft wechselten hier, an der französischen Mittelmeerküste, herrliche Preziosen ihre Besitzer. Doch nicht immer wechselten sie freiwillig.

Während des Filmfestivals im Mai verschwanden in Cannes gleich mehrere Schmuckstücke eines Juweliers aus einem Hotelsafe. Ursprünglich waren sie als Leihgabe für die Hälse, Arme und Ohrläppchen von Stars und Starlets aus der Film- und Showbranche gedacht. Ihr Wert: mehrere Hunderttausend Euro. Noch teurer dürfte das Schweizer Diamanten-Collier gewesen sein, das kurz darauf auch aus einem Hotel ganz in der Nähe von Cannes verschwand und bis heute nicht wieder aufgetaucht ist.

An diesem Sonntag nun musste sich Lew Lewiew von einigen seiner Sammlerstücke trennen. Selbst die von ihm angeheuerten privaten Sicherheitsleute konnten nicht verhindern, dass ein Unbekannter mit Schirmmütze und Schal in der heißen Mittagszeit wirklich alles in seinen Koffer schaufelte, was ihm in die Finger kam. Nun wird der Schaden auf 103 Millionen Euro geschätzt - einen größeren reinen Juwelen-Coup gab es wohl noch nie. Vergleichbar ist der Raub am Ende nur mit dem Einbruch in das Antwerpener Diamond Center vor zehn Jahren - wobei damals neben Diamanten auch Wertpapiere gestohlen wurden. In Antwerpen hatten sich die Einbrecher übers Wochenende heimlich ins Center einsperren lassen.

In jüngster Zeit häufen sich die spektakulären Diebstähle. Erst im vergangenen Februar hatten Gangster in Polizeiuniform den Zaun auf dem Brüsseler Flughafen durchbrochen. Während der Verladung stahlen sie - offenbar unbemerkt von Personal und Passagieren - Diamanten im Wert von 38 Millionen Euro. Bis jetzt wurden mehr als dreißig Tatverdächtige festgenommen. Ähnlich vorgegangen waren Diebe im Jahr 2005 auf dem streng bewachten Frachtgelände des Amsterdamer Flughafens Schiphol. Sie erbeuteten damals Schmuck und Diamanten im Wert von 75 Millionen Euro.

Interaktive Chronik: Spektakuläre Schmuckraube in Europa

Mal durchbrechen die Juwelen-Diebe mit dem Geländewagen Panzerglas (Frankfurt/Main, 2002, sechs Millionen Euro Beute), mal verkleiden sie sich als Frauen (Paris, 2008, 85 Millionen Euro), gelegentlich auch als Gentlemen (London, 2009, 48 Millionen Euro), dann wieder als Polizisten (Mailand, 2011, fünf Millionen Euro). Mal wird der Tresorraum einer Bank zum Tatort, den die Täter über einen selbst gebuddelten Tunnel erreichen (Fortaleza, Brasilien, 2005, 57 Millionen Euro), dann steigen die Juwelendiebe über das Dach in die 540-Quadratmeter-Wohnung eines philippinischen Diplomaten ein (Paris, 2012, 30 Millionen Euro).

"Runner" machen den Job

Glücklicherweise geht alles meist ohne Blutvergießen ab. Und das, obwohl die Täter oft nicht nur mit einem Schleifgerät aus dem Baumarkt bewaffnet sind. In manchen Fällen steht am Ende sogar der Verdacht "Versicherungsbetrug" im Raum. Was fehlt, sind die Beweise.

Ob beim jüngsten Raub in Cannes wieder die "Pink Panther"-Bande am Werk war? In den vergangenen Jahren soll die Gruppe laut Interpol mehr als 330 Millionen Euro erbeutet haben. Das Konzept: Der Überfall selbst ist die Sache sogenannter "Runner". Das sind Kleinkriminelle, die für ihren Job ein paar hundert Euro erhalten - und die Option, in der Bandenhierarchie aufzusteigen. Die Steine werden später umgeschliffen und mit gefälschten Zertifikaten versehen. Soweit die Geschäftsidee.

"No one is innocent" besangen einst die Sex Pistols den Posträuber Ronald Biggs, und in der Dreigroschenoper fragt Mackie Messer: "Was ist der Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?" Tatsächlich geht auch eine gewisse Faszination von solchen Taten aus, der spanische Anarchist Buenaventura Durruti zum Beispiel bezeichnete den Bankraub als "revolutionäre Gymnastik". Doch mit der Idee einer Umverteilung à la Robin Hood dürften heutige Aktionen nicht viel zu tun haben. Sie sind ein Geschäftsmodell.

Perfekt choreografiert bemächtigten sich einige, von Interpol der "Pink Panther"-Gruppe zugeschriebene Täter im Jahr 2004 in Tokio der 22 Millionen Euro teuren Kette "Comtesse de Vendôme". Ein bisschen Pfefferspray und die Flucht auf dem Motorrad - mehr brauchte es nicht für den größten Diebstahl in der Geschichte Japans. Mittlerweile jagen etwa sechzig Interpol-Ermittler aus zwanzig Ländern nach den "Pink Panther"-Hintermännern. Mühsam versuchen sie, ein Puzzleteil zum anderen zu fügen. Immer wieder gibt es Rückschläge: Gerade erst wurde ein Mitglied der Bande in einer atemberaubenden Aktion aus einer Schweizer Haftanstalt befreit.

Andererseits ist nicht alles "Pink Panther", was Steine betrifft. Nach dem Raub aus den Schließfächern des Antwerpener Diamantenzentrums im Februar 2003 lernte die Welt etwa die "Turiner Schule" kennen. Die Gruppe um Leonardo Notarbartolo hatte ihre Tat zwar perfekt vorbereitet. Bei der anschließenden Müllentsorgung aber unterliefen den Turinern derart läppische Fehler, dass die Fahnder ihnen bald auf die Schliche kamen. Der Verbleib eines Großteils der Beute ist indes weiterhin ungeklärt. Auch Lew Lewiew sollte sich wohl nicht allzu viel Hoffnung machen, seine Steine bald wiederzusehen.

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