Justizirrtum:25 Jahre lang unschuldig in US-Haft

Wegen Vergewaltigung saß Jerry Miller 25 Jahre lang im Gefängnis. Jetzt kam per Genanalyse heraus, dass er definitiv nicht der Täter ist. Besonders pikant: Der Fall ist der 200. Justizirrtum in den USA. Im Laufe der Zeit eine verschwindend geringe Zahl - findet die Vereinigung der Bundesanwälte.

Zum 200. Mal ist in den Vereinigten Staaten ein folgenschwerer Justizirrtum mit Hilfe einer Erbgutanalyse ans Licht gekommen: Ein Gericht im Verwaltungsbezirk Cook County in Chicago sprach den 48-jährigen Jerry Miller am Montag (Ortszeit) von allen Vorwürfen frei, nachdem er wegen Vergewaltigung ein Vierteljahrhundert im Gefängnis verbracht hatte.

Justizirrtum: Keine elektronische Fußfessel mehr, Eintrag als Sexualverbrecher gelöscht: Jerry Miller freut sich auf sein Leben in Freiheit

Keine elektronische Fußfessel mehr, Eintrag als Sexualverbrecher gelöscht: Jerry Miller freut sich auf sein Leben in Freiheit

(Foto: Foto: AP)

Seine Anwälte und die Staatsanwaltschaft hatten zuvor genetische Belege vorgelegt, die seine Unschuld bewiesen. Miller war 1982 im Alter von 23 Jahren wegen der brutalen Vergewaltigung einer 44-jährigen Geschäftsfrau zu 45 Jahren Haft verurteilt worden. Im März vergangenen Jahres wurde er auf Bewährung entlassen.

Nach dem Revisionsurteil tilgt die Justiz Millers Verurteilung aus seiner Akte und streicht ihn von der Liste verurteilter Sexualverbrecher; außerdem muss er keine elektronische Fußfessel mehr tragen. Zudem kann er auf Entschädigung für die in Haft verbrachte Zeit klagen.

Keine Bitterkeit

Nach seinem Freispruch dankte Miller seinen Anwälten für ihren Einsatz. Er sei nur noch glücklich und spüre keine Bitterkeit mehr in sich, sagte der 48-Jährige. Vorwürfe äußerte er nicht: "Ich will nur noch vorankommen mit meinem Leben. Ein neues Leben beginnen. Ein Leben haben", sagte er strahlend vor Journalisten.

Als Miller seinerzeit aufgrund von Zeugenaussagen wegen Vergewaltigung, Raubes und Entführung verurteilt wurde, gab es die genetische Beweisaufnahme noch nicht.

Das Gericht befand ihn damals für schuldig, 1981 eine Frau in einem Parkhaus von Chicago brutal ausgeraubt und vergewaltigt zu haben. Als der Täter versuchte, mit seinem Opfer im Kofferraum zu flüchten, wurden zwei Parkwächter auf ihn aufmerksam. Der Mann entkam zu Fuß.

Mit Hilfe eines DNA-Abgleichs konnte die US-Bundespolizei nun den wahren Täter ermitteln, der sieben Monate später erneut eine Frau vergewaltigt hatte. Da die Tat inzwischen aber verjährt ist, kann er nicht mehr belangt werden.

Alter Streit neu entfacht

Miller hatte stets seine Unschuld beteuert und aus dem Gefängnis hunderte Briefe an Anwälte, Journalisten und Bürgerrechtsorganisationen geschrieben. Die Initiative "Innocence Project" setzte schließlich die DNA-Analyse durch. Anwälte der Initiative sehen in Millers Fall ein Paradebeispiel für die Fehler bei Zeugenaussagen - vor allem in Fällen, in denen das Opfer weiß und der Täter schwarz sei.

Die Verfechter einer Änderung im Justizsystem vermuten, dass die 200 Fälle, in denen seit 1989 mit Hilfe der neuen Technologie die Unschuld der Verurteilten festgestellt wurde, nur die Spitze des Eisbergs darstellen. Sie verweisen darauf, dass sich die ersten 100 Fälle über 13 Jahre erstreckten, sich die Zahl dann aber innerhalb von fünf Jahren verdoppelt habe.

Ein Sprecher der Vereinigung der Bundesanwälte erklärte dagegen, 200 Fälle innerhalb von 18 Jahren stellten in Anbetracht der Millionen Verfahren während dieser Zeit einen verschwindend geringen Prozentsatz dar.

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