Justizirrtum in den USA:Endlich erlöst

Nach 17 Jahren Haft ist ein angeblicher Prostituiertenmörder nachträglich für unschuldig erklärt worden. Eine Behörde in North Carolina kippte ein Urteil von 1993. Für den Mann beginnt ein Leben in ungewohnter Umgebung.

Die erste halbe Stunde in zurückgewonnener Freiheit verbringt Greg Taylor damit, die im Gerichtssaal anwesenden Freunde und Familienmitglieder ausgiebig zu umarmen. Sechs Tage hatte die Gerichtsverhandlung gedauert. Als das Urteil verkündet wird, brandet Jubel auf: Greg Taylor ist unschuldig. 17 Jahre seines Lebens saß er zu Unrecht im Gefängnis.

Justizirrtum in den USA: Greg Taylor (rechts) und seine Tochter brechen nach dem Urteil der US-Kommission in Freudentränen aus. Taylor hatte 17 Jahre unschuldig im Gefängnis gesessen.

Greg Taylor (rechts) und seine Tochter brechen nach dem Urteil der US-Kommission in Freudentränen aus. Taylor hatte 17 Jahre unschuldig im Gefängnis gesessen.

(Foto: Foto: AP)

Der 47-Jährige war im April 1993 wegen des Mordes an der Prostituierten Jacquetta Thomas verurteilt worden. Er selbst hatte jedoch stets seine Unschuld beteuert. Seine Anwälte machten im aktuellen Prozess geltend, es gebe keine materiellen Beweise für die Schuld ihres Mandanten, die entscheidenden Zeugenaussagen seien unglaubwürdig.

Und die Verteidiger hatten Erfolg: Nach einwöchiger Prüfung kippte die Unschuldskommission des US-Bundesstaats North Carolina das Urteil von 1993. Polizeiwissenschaftliche Untersuchungen hatten keine Verbindung zwischen Taylor und dem Mordopfer herstellen können.

Die Kommission in North Carolina ist die einzige staatliche Behörde in den USA, die auch nach Abschluss von Prozessen die Unschuldsbeteuerungen der Verurteilten überprüft. Ihre Entscheidung muss allerdings einstimmig erfolgen.

In Taylors Fall waren sich die drei Richter einig - zum ersten Mal in der Geschichte der Kommission. "Wir haben das Glück, dass in der Justizverwaltung in North Carolina Fortschritte gemacht wurden", sagte Taylors Anwalt Joseph Cheshire: "Dies ist ein fantastischer Tag."

Staatsanwalt Colon Willoughby, der während des Prozesses an seiner Überzeugung über die Schuld des 1993 Verurteilten festhielt, entschuldigte sich direkt nach der Entscheidung bei Taylor mit einem Handschlag. Taylor zeigte Verständnis für den Staatsanwalt. Für ihn hat das Urteil eine Signalwirkung für ähnliche Schicksale. "Es geht hierbei nicht um meine Unschuld, es geht um Unrecht an sich", so Taylor.

Entschädigung erwartet

Für Taylor beginnt nun nach 17 Jahren ein neues Leben. Ein Video des US-Nachrichtensenders NBC zeigt ihn am Abend nach der Urteilsverkündung bei einem Restaurantbesuch mit Freunden. Von seiner Tochter bekommt er am Esstisch erklärt, wie Handys funktionieren. Anfang der Neunziger - bei seiner Inhaftierung - waren die noch nicht verbreitet. "Die Technologie ist an ihm vorübergezogen", sagt sein Vater Ed Taylor im Film. Sein Sohn würde jetzt erst einmal losziehen, um sich mit zeitgemäßer Kleidung einzudecken.

Greg Taylor selbst will sich bei seinen ersten Schritten in Freiheit auf die wesentlichen Dinge konzentrieren, sagt er: "Ich will viel Zeit mit Familie und Freunden verbringen. Das wird mir helfen, mich zurechtzufinden."

Auch langfristige Pläne hat Taylor amerikanischen Medienberichten zufolge bereits geschmiedet. So wolle er künftig ebenfalls zu Unrecht Inhaftierten helfen und sich gemeinsam mit ihnen für neue Gesetze gegen Fehlurteile einsetzen.

Für sein neues Leben kann Greg Taylor mit einer Wiedergutmachungszahlung rechnen. Von Gesetzes wegen hat jeder Unschuldige Anspruch auf 50.000 Dollar pro Haftjahr. Maximal können 750.000 Dollar gezahlt werden. Diese Summe steht Taylor nun zu.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: