Justiz - Koblenz:Justiz setzt verstärkt auf Künstliche Intelligenz

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Koblenz (dpa/lrs) - Die deutsche Justiz will künftig verstärkt Künstliche Intelligenz (KI) einsetzen, um Personal zu entlasten. KI sei denkbar für das Auslesen von eingereichten Schriftsätzen und die Einordnung von Daten in elektronische Akten, sagte der Präsident des Oberlandesgerichtes (OLG) Nürnberg, Thomas Dickert, am Mittwoch nach einer Fachtagung oberster Richter in Koblenz.

Bisher müssten Servicekräfte Schriftsätze mühsam auswerten. In Rheinland-Pfalz werde bereits ein Pilotprojekt vorbereitet und voraussichtlich Anfang 2022 an einem Landgericht starten, sagte der Koblenzer OLG-Präsident Thomas Henrichs.

Die neuartige selbstlernende KI sollen "keine Menschen ersetzen, sondern unterstützen", sagte Dickert. Es werde aber keinen "Richter-Roboter" oder "Entscheidungs-Automaten" geben. "Selbst wenn das eines Tages technisch möglich sein sollte, wollen wir das nicht", sagte er nach Beratungen der deutschen Präsidentinnen und Präsidenten der Ober-Gerichte und des Bundesgerichtshofs. Die richterliche Verantwortung bestehe darin, sich jedem einzelnen Fall zuzuwenden. "Urteile werden eben im Namen des Volkes gesprochen und nicht im Namen eines Algorithmus."

KI könne künftig auch bei der Anonymisierung von richterlichen Entscheidungen zum Einsatz kommen, sagte Dickert. Bisher werde "nur ein relativ geringer Prozentsatz" der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. "Wenn wir eine KI hätten, die in der Lage wäre, solche Entscheidungen weitgehend automatisch zu anonymisieren", könnte viel mehr veröffentlicht werden. Das sei für Bürger, Anwälte und Rechtsschutzversicherungen interessant.

Neben Unterstützung durch KI forderten die obersten Richter von der neuen Bundesregierung personelle und logistische Verstärkung. Zudem sei der Gesetzgeber gefordert, um bei Massenverfahren Richter zu entlasten. "Wir müssen versuchen, schneller zu Musterentscheidungen zu kommen, die dann in der Fläche wirken können", sagte die Präsidentin des Bundesgerichtshofs, Bettina Limperg.

Die bisherigen juristischen Möglichkeiten reichten nicht aus: "Wir kommen mit dieser Musterfeststellungsklage nicht dazu, diese Zahl von Klagen zu bewältigen", sagte die Präsidentin des OLG Stuttgart, Cornelia Horz. Sie habe 8700 Verfahren gegen einen Autohersteller und einen monatlichen Zugang von 700 Verfahren. "Da brauchen wir ganz schnell gesetzgeberische Unterstützung."

© dpa-infocom, dpa:211013-99-584089/2

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