Justiz - Kiel:Brisanter Vermerk aus Rockerermittlungen im Fokus

Kiel (dpa/lno) - Der Umgang mit entlastenden Hinweisen eines Informanten bei Ermittlungen gegen Rocker in früheren Jahren im Norden wirft weiter Fragen auf. Erst auf Druck von zwei Ermittlern waren von einem V-Mann-Führer stammende Infos zu einem damals in Untersuchungshaft sitzenden Tatverdächtigen erst zu den Akten genommen worden. "Ich finde das nicht richtig, wenn die Sachen in der Akte fehlen", sagte die Leitende Kieler Oberstaatsanwältin Birgit Heß am Montag vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Landtags zur sogenannten Rockeraffäre.

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Kiel (dpa/lno) - Der Umgang mit entlastenden Hinweisen eines Informanten bei Ermittlungen gegen Rocker in früheren Jahren im Norden wirft weiter Fragen auf. Erst auf Druck von zwei Ermittlern waren von einem V-Mann-Führer stammende Infos zu einem damals in Untersuchungshaft sitzenden Tatverdächtigen erst zu den Akten genommen worden. "Ich finde das nicht richtig, wenn die Sachen in der Akte fehlen", sagte die Leitende Kieler Oberstaatsanwältin Birgit Heß am Montag vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Landtags zur sogenannten Rockeraffäre.

Zwei Ermittler der Soko Rocker waren gegen ihren Willen versetzt worden. Sie hatten darauf bestanden, dass der Hinweis zu den Akten gelangt. 2010 hatten Mitglieder der "Bandidos" Rocker der "Red Devils" im Schnellrestaurant Subway in Neumünster angegriffen und zwei Männer schwer verletzt. Der V-Mann-Führer hatte die Hinweise von einem Informanten und will darüber nicht nur die SoKo Rocker, sondern auch den zuständigen Oberstaatsanwalt informiert haben. Dieser habe eine Verschriftlichung der Informationen aber abgelehnt, sie seien für ihn "nicht erheblich", habe der Beamte laut FDP-Obmann Jan-Marcus Rossa hinter verschlossenen Türen ausgesagt.

Der für Rockerkriminalität zuständige Oberstaatsanwalt sei "echt sauer gewesen", wie die Polizei mit den beiden Ermittlern umgegangen sei, sagte die Leitende Oberstaatsanwältin Heß. Ihre Behörde führe aber weder die Dienst- noch die Fachaufsicht über die Polizei. Staatsanwälte könnten zwar murren. "Es ist aber Schall und Rauch."

Nicht erinnern konnte sich Heß an ein Krisengespräch zwischen Staatsanwaltschaft, Polizei und Innenministerium von Anfang Mai 2010. Laut Vermerk des damaligen stellvertretenden Leiters der Polizeiabteilung im Ministerium soll der zuständige Oberstaatsanwalt der Polizei wegen deren Umgang mit den Ermittlern seinerzeit "Führungsverhalten aus den 20er Jahren" vorgeworfen habe. Das sei aber nicht dessen Wortwahl, sagte Heß.

Um den brisanten Vermerk drehte sich auch die Befragung einer damaligen Vorsitzenden Richterin des Landgerichts Kiel. Sie hatte den Prozess um den Rockerüberfall in Neumünster geführt. "Ohne den Vermerk hätten wir möglicherweise den Haftbefehl noch nicht aufgehoben", sagte die Richterin. Der Mann war damals zunächst aus der Untersuchungshaft entlassen und später in dem Prozess freigesprochen worden. Laut der Richterin war es für den Freispruch aber nicht auf den brisanten Vermerk angekommen.

Die Quelle des V-Mann-Führers hatte zum damaligen Zeitpunkt aber keine Vertraulichkeitszusage, wie SPD-Obmann Kai Dolgner sagte. "Ich bin davon ausgegangen, dass die Regeln eingehalten worden sind. Ich habe das nicht infrage gestellt", sagte die Richterin. Im Nachhinein sei sie "natürlich ein bisschen irritiert".

FDP-Obmann Rossa fühlt sich durch die Aussagen von Heß bestätigt. "Unsere Vermutung, dass die Staatsanwaltschaft in Kiel zum damaligen Zeitpunkt maßgeblich daran mitgewirkt hat, dass entlastende Hinweise nicht zur Ermittlungsakte genommen werden sollten, hat sich unseres Erachtens durch die Aussage der damaligen Oberstaatsanwältin Heß weiter erhärtet", sagte der FDP-Politiker. Die damalige Richterin habe zumindest bestätigt, "dass die Vermerke für den Freispruch von Nils H. nicht erheblich waren".

Rossa hält klare gesetzliche Regeln für nötig, wie mit vertraulichen Informationen umzugehen ist. "Weder ein Informant darf unnötig gefährdet, noch darf einem Beschuldigten der verfassungsmäßige Rechtsschutz vorenthalten werden."

Der Ausschuss will mögliche Missstände bei Polizeiermittlungen gegen Rocker in früheren Jahren aufarbeiten. Die Abgeordneten gehen Vorwürfen der Aktenmanipulation, der Unterdrückung von Beweismitteln, des Drucks "von oben" und des Mobbings nach.

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