Justiz - Erfurt:Weniger gemeinnützige Arbeit statt Haft in Thüringen

Deutschland
Stacheldraht ist im Sicherheitsbereich der Justizvollzugsanstalt Hohenleuben zu sehen. Foto: Bodo Schackow/dpa-Zentralbild/dpa/Archiv (Foto: dpa)

Direkt aus dem dpa-Newskanal

Erfurt (dpa/th) - In Thüringen sind seit Beginn der Corona-Pandemie die Möglichkeiten zur gemeinnützigen Arbeit für mittellose Verurteilte stark eingeschränkt. Ein nicht unerheblicher Teil der Einsatzstellen nehme pandemiebedingt derzeit gar keine Straftäter mehr an, sagte der Sprecher des Justizministeriums, Oliver Will, der Deutschen Presse-Agentur.

Das betreffe vorrangig Einrichtungen, bei denen es Kontakte zu vielen - auch vulnerablen - Menschen gebe. Dazu gehörten etwa Alten- und Pflegeheime oder Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen. Andere Einsatzorte stellten aus Gesundheits- und Hygieneschutzgründen weniger Ersatzarbeitsplätze zur Verfügung. Das führe häufig zu langen Wartezeiten, sagte Will.

Den Angaben zufolge haben im Freistaat im vergangenen Jahr 616 Menschen, die zu einer Geldstrafe verurteilt worden sind, ersatzweise gemeinnützige Arbeit geleistet. Diese Alternative nutzte damit ein Drittel weniger als im Jahr zuvor. 2019 waren es noch 925 Verurteilte. Ihr Anteil an der Gesamtzahl der wegen Geldstrafen eingeleiteten Strafvollstreckungsverfahren sank damit binnen Jahresfrist von 6,2 auf 4,2 Prozent.

Verurteilte, die eine Geldstrafe nicht bezahlen können, müssen normalerweise eine Ersatzfreiheitsstrafe antreten. Durch die Haftalternative "Schwitzen statt Sitzen" sind im vergangenen Jahr dem Ministerium zufolge insgesamt 24 119 Hafttage vermieden worden. Das entspricht 66 Jahren Haft. Das Land hat damit 2020 knapp 3,3 Millionen Euro der ansonsten für die Haftunterbringung anfallenden Kosten eingespart.

Einen Antrag auf Umwandlung einer Geldstrafe in gemeinnützige Arbeit können Verurteilte bei den Vollstreckungsbehörden stellen. Das seien im Erwachsenenstrafrecht die Staatsanwaltschaften. Die freie Arbeit ohne Vergütung könne auch nach Antritt der Strafe in der Haftanstalt erfolgen, um so die Ersatzfreiheitsstrafe abzukürzen, hieß es.

Die Bandbreite der Tätigkeiten und Einsatzstellen sei groß, sagte Will. Sie reiche von Arbeiten bei Vereinen bis zu kommunalen und kirchlichen Einrichtungen. Dazu gehörten etwa die Pflege von Außen- und Grünanlagen, die Mitarbeit im Bauhof einer Kommune oder die Freizeitbetreuung in Alten- und Pflegeeinrichtungen sowie die Mitarbeit bei Veranstaltungen. Bei der Auswahl einer geeigneten Arbeitsstelle würden die persönlichen Verhältnisse der Verurteilten, insbesondere deren strafrechtliches Vorleben, berücksichtigt.

Thüringen hatte aufgrund der Corona-Pandemie im vergangenen Jahr zur Entlastung der Situation in den Gefängnissen Ersatzfreiheitsstrafen ausgesetzt und Strafantritte verschoben. Derzeit werden weiterhin Ersatzfreiheitsstrafen bis zu 90 Tagessätzen nicht vollstreckt. Daher sei die Anzahl der betreffenden Inhaftierten seit März 2020 deutlich gesunken, hieß es.

© dpa-infocom, dpa:210516-99-615746/2

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: