"Empire"-Schauspieler Jussie Smollett:Vom Rassismus-Opfer zum Bösewicht

Jussie Smollett

Der Schauspieler Jussie Smollett ist in den USA durch die Serie "Empire" bekannt.

(Foto: AP)
  • Ende Januar wurde US-Schauspieler Jussie Smollett ("Empire") nach eigenen Angaben Opfer eines Überfalls mit rassistischem und homophoben Hintergrund.
  • Er behauptete, dass die Täter dabei Trump-Slogans riefen.
  • Nach mehrwöchiger Untersuchung steht er nun selbst unter Verdacht, den Überfall fingiert zu haben.

Von Johannes Kuhn, Austin

Er sei nur in die kalte Chicagoer Nacht hinaus, um ein Sandwich zu holen, erzählte Jussie Smollett der Polizei später. Doch was der afroamerikanische TV-Star dann über den frühen Morgen des 29. Januar berichtete, ist nach dem US-Gesetz kein normaler Überfall. Es fällt in die Rechts-Kategorie "Hassverbrechen" - wenn die Geschichte stimmt.

Smollets Version geht so: Zwei weiße Männer mit Masken greifen ihn auf der Straße an, schlagen ihn, schütten Bleiche über seinen Körper und legen ihm eine Schlinge um den Hals - die makabere Inszenierung eines Lynchmord-Versuchs, wie man es aus der düsteren Historie des US-amerikanischen Südens kennt.

Die beiden Täter hätten ihn dabei rassistisch und homophob beschimpft. "Du bist hier im MAGA-Land", habe einer der beiden auch geschrien. "MAGA" ist die Abkürzung für "Make America Great Again", der Wahlkampf-Slogan Donald Trumps. Gerade dieses Detail wird später für heftige Diskussionen sorgen.

Der 36-Jährige Smollett ist eine Person des öffentlichen Lebens, schwarz und offen homosexuell. Seine Paraderolle fand er in der Erfolgsserie "Empire", einer Art afroamerikanischem Dynastiendrama á la "Dallas", nur dass das Musik-Business das Öl-Geschäft ersetzt. Auch im deutschen Fernsehen ist die Serie zu sehen. Smollett spielt darin Jamal, den Sohn des rücksichtslosen Produzenten-Patriarchen Lucious Lyon.

Innerhalb kürzester Zeit, nachdem Smollett den angeblichen Überfall publik macht, wird sein Name zum Symbol für den Hass, dem Minderheiten in den USA ausgesetzt sind. Einige Tage vor dem von Smollett als "Hate Crime" dargestellten Überfalls war am Drehort von "Empire" ein anonymer Hassbrief eingegangen, addressiert an Smollett. Er enthielt eine weiße Substanz, die sich später als Aspirin herausstellte. Auf dem Brief prangte: das "MAGA"-Signum.

Schauspiel-Kollegen und Politiker äußern sich nach der Attacke entsetzt, auch US-Präsident Donald Trump sprach von einem "furchtbaren" Vorfall: "Schlimmer geht es nicht." Kritiker der Trump-Regierung jedoch sehen ihre Sichtweise bestätigt: Die Attacke steht symbolisch für die Verrohung der US-amerikanischen Gesellschaft unter Trump. So haben laut FBI im vergangenen Jahr Hassverbrechen um ein Drittel zugenommen.

Doch plötzlich entwickelt sich der Fall Smollett in eine ganz andere Richtung.

Gerüchte spielen in den folgenden Wendungen eine große Rolle, die ersten kursieren schon zwei Tage nach dem Vorfall: Smollett habe sich in seinen Aussagen widersprochen, heißt es da, und in den sozialen Netzwerken beginnt die Spekuliererei. Der Chicagoer Polizeichef sieht sich gezwungen, einzuschreiten: "Wir müssen daran denken, dass er ein Opfer ist." Die Ermittlungen stünden am Anfang, die Überwachungskameras in der Nähe des Tatorts geben bislang noch nichts her.

Smollett, der auch Sänger ist, wendet sich kurz danach bei einem Konzert in Los Angeles an seine Fans: "Ich habe so viel auf dem Herzen, das ich sagen möchte. Aber das Wichtigste ist: Danke. Ich bin in Ordnung."

Weitere Unstimmigkeiten, viele Gerüchte

Tatverdächtige gibt es zunächst nicht, dafür einige Tage später erneut Unstimmigkeiten: Smollett hatte ausgesagt, kurz vor der Attacke mit seinem Manager telefoniert zu haben. Doch als die Polizei die Anrufliste überprüfen möchte, übergibt er ein Dokument, das offenbar verändert wurde. "Unbrauchbar", urteilt die Polizei. Der 36-Jährige entgegnet: Er habe seine Privatsphäre und die befreundeter Prominenter schützen wollen.

In seinem ersten TV-Interview am 14. Februar zeigt sich Smollett frustriert, weint vor der Kamera. Er klagt: "Ich habe das Gefühl, dass mich die Zweifler stärker unterstützt hätten, wenn ich behauptet hätte, es wäre ein Muslim oder ein Mexikaner oder jemand Schwarzes gewesen." Und er bleibt dabei: Es seien zwei weiße Männer gewesen, die ihn überfallen hätten.

Am Tag davor hat die Chicagoer Polizei zwei Männer verhört, wie bald bekannt wird. Es soll sich bei den beiden um zwei Personen handeln, die von hinten auf einem Überwachungsvideo zu sehen sind. Daten aus einer Uber-Fahrt beweisen, dass sie in der Nähe des Tatorts waren. Doch die beiden sind nicht weiß, wie Smollett behauptet, vielmehr handelt es sich um ein afroamerikanisches Brüderpaar mit nigerianischen Wurzeln.

FILE PHOTO: Handout photo of two persons of interest are shown in the area where 'Empire' actor Jussie Smollett was assaulted in Chicago

Foto zweier Männer, die sich zur Tatzeit in der Nähe des Tatorts befanden.

(Foto: REUTERS)

Vor allem aber: Einer der beiden ist Smolletts Fitnesstrainer, beide sind Bodybuilder, sie traten in "Empire" als Komparsen auf. Der Schauspieler folgt beiden auf Instagram. Spätestens jetzt gibt es erhebliche Zweifel an seiner Version. Doch das ist nur der Anfang.

Alles nur fingiert?

Die Polizei lässt die beiden laufen, ein Sprecher erklärt am Wochenende vielsagend: "Informationen, die wir von den beiden Brüdern erhalten haben, haben die Richtung der Ermittlungen verändert."

Zu diesem Zeitpunkt kursieren erneut Gerüchte. Smollett sei aus der Serie "Empire" herausgeschrieben worden. Sowohl der Schauspieler, als auch Fox dementieren.

Am Dienstag dann laden Staatsanwaltschaft und Polizei in Chicago die ominösen Brüder erneut vor. Danach melden mehrere Medien unter Berufung auf Polizeikreise, was sie ausgesagt haben sollen: Smollett stecke demnach selbst hinter dem an ihn adressierten Hassbrief, der einige Tage zuvor am "Empire"-Drehort eingegangen war.

Als der Brief keine "größere Reaktion" ausgelöst habe, sei Smollett auf die Idee mit der Attacke gekommen, so die beiden weiter. Das Trio habe den Angriff vorher sogar geprobt - und dann auf der Straße um zwei Uhr nachts inszeniert. Die Brüder erhielten dafür 3500 Dollar, auch Seil und Bleiche habe Smollett bezahlt. Der "Empire"-Star dementiert, den Angriff fingiert zu haben. Er werde durch solche Verdächtigungen nochmals zum Opfer, lassen seine Anwälte erklären.

Inzwischen diskutieren die US-Unterhaltungsportale bereits aufgeregt, was dem Schauspieler droht. Die Inszenierung eines Verbrechens kann eine Gefängnisstrafe von bis zu drei Jahren nach sich ziehen. Smolletts Anwalt lässt durchblicken, dass die Chicagoer Polizei für ihr historisches Rassismus-Problem bekannt ist. Doch diese Erklärung stößt auf höhnische Reaktionen, die bizarre Geschichte löst vor allem Kopfschütteln aus. Und Wut, enthält die Saga doch bereits jetzt alle leicht entzündlichen Elemente der heißgelaufenen inneramerikanischen Debatten: Die Frage nach Homophobie und Rassismus, die politische Instrumentalisierung von Verbrechen, wer wem glaubt und wer wen wie benutzt.

Konservative werfen den Medien Instrumentalisierung vor

Am Mittwoch schließlich spitzt sich die Lage für Smollett weiter zu. Ein Lokalsender veröffentlicht ein Überwachungsvideo aus einem Laden, auf dem die beiden nigerianischen Brüder beim Kauf von Skimasken zu sehen sind. Am Abend gibt die Chicagoer Polizei bekannt, dass Smollett nun offiziell verdächtigt wird, den Überfall inszeniert zu haben. Die Staatsanwaltschaft erhob Anklage, am Donnerstag stellte Smollett sich der Polizei, wie ein Sprecher der Nachrichtenagentur AP sagte.

Nun wartet die amerikanische Öffentlichkeit, wie die Geschichte weitergeht - und rätselt über das mögliche Motiv. Der afroamerikanische Professor John McWhorter erstellt dabei eine Diagnose, die für das ganze Land ernüchternd klingt. Sollten die Vorwürfe gegen den Schauspieler stimmen, zeige dies vor allem eines: Die USA erlebten eine Zeit, in der Smollett alles hätte tun und sagen können, was er gewollt hätte - nichts hätte ihn für die Öffentlichkeit interessanter gemacht, als wegen seiner Hautfarbe und sexuellen Orientierung zum Gewaltopfer zu werden.

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