Jussie Smollett:Futter für den Hass

Der Schauspieler Jussie Smollett hatte behauptet, auf dem Nachhauseweg nachts in Chicago von maskierten Männern angegriffen worden zu sein. Der Vorfall war fingiert. Jetzt meldet sich selbst der US-Präsident zu Wort.

Von Jürgen Schmieder

Bond Hearing Held For Actor Jussie Smollett After  Disorderly Conduct Charge

Der US-amerikanische Schauspieler Jussie Smollett beim Verlassen des Gefängnisses.

(Foto: Nuccio Dinuzzo/AFP)

Was ist in der Nacht zum 29. Januar in der East Lower North Water Street in Chicago wirklich passiert? Das ist die entscheidende Frage in diesem Fall, der die Amerikaner deshalb so aufwühlt, weil er alles enthält, worüber die Leute in diesem Land derzeit so erbittert streiten: Es geht um Rassismus und Homophobie, um Gewalt auf den Straßen, um Prominente und deren Einfluss auf die öffentliche Meinung, um vorschnelle Beschuldigungen und Fake News. Und mittlerweile hat die Polizei das vermeintliche Opfer als möglichen Täter identifiziert.

Der dunkelhäutige und homosexuelle Schauspieler Jussie Smollett hatte behauptet, in dieser Nacht auf dem Weg nach Hause von zwei maskierten Männern angegriffen worden zu sein. Sie hätten rassistische und schwulenfeindliche Beleidigungen gerufen und als Referenz auf den Slogan von Donald Trump ("Make America Great Again" oder kurz: "MAGA") behauptet: "Du bist hier im MAGA-Land!" Die Angreifer hätten ihn geschlagen, getreten und gebissen, danach mit einer Flüssigkeit übergossen und ihm einen Strick um den Hals gelegt. Er habe sich befreien können und sei später mit leichten Blessuren aus dem Krankenhaus entlassen worden.

Zunächst gab es Zuspruch

Es gab zunächst einmal viel prominenten Zuspruch für Smollett, von der Oscar-Preisträgerin Viola Davis zum Beispiel und Sängerin Katy Perry. Die demokratischen Präsidentschaftskandidaten Kamala Harris und Cory Booker bezeichneten den Angriff als modernen Lynchmob, US-Präsident Trump sagte während eines Interviews im Weißen Haus: "Ich habe davon gehört. Das ist schrecklich, schlimmer geht es nicht." Smollett wurde zur Symbolfigur für die Opfer der sogenannten Hate Crimes in den USA. Die durch Rassenhass, Homophobie, Sexismus oder Ausländerfeindlichkeit motivierten Verbrechen sind laut Bundesbehörde FBI in den vergangenen drei Jahren jeweils angestiegen, 2018 gar um ein Drittel.

Smollett, 36, gehört zum Ensemble der erfolgreichen TV-Serie "Empire", ein Familiendrama wie einst "Dallas", nur dass es um eine afroamerikanische Dynastie geht und um Musik statt um Öl. Smollett ist ein Promi, und vor allem die Kritiker des Präsidenten sahen in dem Angriff einen Hinweis auf die Verrohung der amerikanischen Gesellschaft unter Trump. Smollett erzählte seine Version in zahlreichen Talkshows, und als erste Zweifel auftauchten, da fragte er sarkastisch: "Habe ich mir das alles etwa nur ausgedacht?"

Missbrauch für seine Zwecke

Den Ermittlungen der Polizei von Chicago zufolge hat Smollett genau das getan - offenbar aus Unzufriedenheit mit seinem Salär bei "Empire", das Schätzungen zufolge zwischen 65 000 und 100 000 Dollar pro Folge beträgt. "Ich kenne die Rassenkluft in dieser Stadt und ich weiß, wie schwer es dieser Stadt und dieser Nation fällt, auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen", sagte Polizeichef Eddie Johnson: "Jussie Smollett hat den Schmerz und die Wut, die durch Rassismus entstehen, für seine Zwecke missbraucht, um seine Karriere voranzutreiben. Wir gehen davon aus, dass er sich die Blessuren höchstwahrscheinlich selbst zugefügt hat."

Es gab keine Zeugen, die Polizei ermittelte zunächst über Kameras in der Nähe des vermeintlichen Tatorts und anhand der Daten von Fahrdienstvermittlern. Die Ermittler kamen zu der Annahme, dass die Brüder Olabinjo und Abimbola Osundairo dringend tatverdächtig seien. Bei der Vernehmung stellte sich heraus, dass die beiden mit Smollett bekannt sind: Beide spielten Nebenrollen in "Empire", einer arbeitete kurzzeitig als Fitnesstrainer von Smollett, beide sollen dem Schauspieler auch Drogen besorgt haben. Aufzeichnungen von Telefonaten ergaben, dass Smollett kurz vor der Tat mit den beiden gesprochen hatte - und eine Stunde danach.

Die Brüder gaben an, dass Smollett die Tat orchestriert und den beiden 3500 Dollar für ihre Teilnahme bezahlt habe. Eine Woche vor dem Angriff habe Smollett einen Drohbrief gegen sich selbst geschickt, mit der Zeichnung eines Erhängten und den Buchstaben "MAGA" auf dem Umschlag als Hinweis auf Trump-Fans. Die Polizei verhaftete Smollett am Donnerstag. Bei einer Verurteilung wegen einer Straftat drohen ihm bis zu drei Jahre Haft.

Der US-Präsident reagierte auf Twitter

Die Lesart dieser Nacht hat sich nun verschoben von einer Debatte über Hassverbrechen zu einem Fall, bei dem jemand versucht haben könnte, Aufmerksamkeit zu erregen und den US-Präsidenten zu beschädigen. Der reagierte bereits auf Twitter: "Jussie Smollett, was ist nun mit MAGA und den Millionen Menschen, die du mit deinen rassistischen und gefährlichen Kommentaren beleidigt hast!

?" Kamala Harris gab an, "traurig, frustriert und enttäuscht" zu sein. Auch Schauspielerkollegen zeigen sich erschüttert. Smollett hat mehrere Anwälte angeheuert und angekündigt, sich gegen die Vorwürfe zu wehren und bei seiner Darstellung der Ereignisse zu bleiben. Am Donnerstagabend kam er gegen Zahlung einer Kaution frei, er wollte zu den Dreharbeiten von "Empire" zurückkehren. Die Produzenten teilten am Freitag jedoch mit, dass die von ihm gespielte Figur gestrichen werde. Man wolle weitere Störungen am Set verhindern

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