Verunglückter Junge in Spanien:Julen lebt nicht mehr

Verunglückter Junge in Spanien: Ein Helikopter stand bereit, um den verunglückten Julen ins Krankenhaus zu bringen. Leider umsonst.

Ein Helikopter stand bereit, um den verunglückten Julen ins Krankenhaus zu bringen. Leider umsonst.

(Foto: AFP)
  • Um 1:25 Uhr am frühen Samstagmorgen haben die Helfer den leblosen Körper des Jungen gefunden.
  • Der Zweijährige war bei einem Ausflug mit seiner Familie vor knapp zwei Wochen in ein illegal gegrabenes Bohrloch gefallen, das einen Durchmesser von nur 25 bis 30 Zentimetern hat.
  • Seit Donnerstagabend hatten Bergarbeiter unter schwierigsten Bedingungen einen horizontalen Tunnel gegraben, um zu Julen vorzudringen.

Von Marcel Grzanna, Totalán

Es war ein fast intimer Moment, in dem die Eltern Gewissheit erhielten. Die meisten Kameras der TV-Sender waren schon abgebaut für diesen Abend, als die Nachricht kam: Julen lebt nicht mehr. Das Hoffen, das Beten, das Flehen - es war alles vergebens. Zwölfeinhalb Tage nach seinem Sturz in ein illegal gegrabenes Bohrloch am Rande der südspanischen Ortschaft Totalán wurde der zweijährige Junge aus einer Tiefe von mehr als 70 Metern tot geborgen. Bis zuletzt hatten die Verantwortlichen betont, dass sie an eine mögliche Rettung des Kindes glaubten. Doch der Optimismus wurde nicht belohnt. Um 1:25 Uhr am frühen Samstagmorgen fanden die Helfer den leblosen Körper des Jungen.

Damit sind auch alle Spekulationen darüber beendet, ob sich Julen überhaupt in dem Loch befand. Schon kurz nach seinem Verschwinden waren Zweifel an der Version der Eltern laut geworden, dass er in den schmalen Schacht gerutscht sei. Der Eingang des Bohrlochs betrug 25 Zentimeter im Durchmesser, was etwa der Größe eines Tellers für ein Hauptgericht entspricht. "Wieso soll der denn da reinpassen", hörte man immer wieder. Die Eltern hatten bereits gedroht, jene gerichtlich zur Verantwortung zu ziehen, die solche Gerüchte in Umlauf gebracht hatten. Eine Obduktion wird nun die Todesursache feststellen müssen und die Frage beantworten, wie lange das Kind möglicherweise noch lebte, nachdem es am Nachmittag des 13. Januar in den Schlund gerutscht war. Erst wenn diese Prozedur abgeschlossen ist, können die Ermittler der Guardia Civil auch ein Verbrechen ausschließen.

Es legte sich eine seltsame Mischung aus Trauer und Erleichterung über den Unglücksberg, als klar war, dass das erhoffte Wunder ausgeblieben war. Helfer hockten völlig ausgelaugt auf dem Boden und stützten ihre Köpfe auf die Knie. Bis zu 300 Menschen hatten in den vergangenen zwölf Tagen an der versuchten Rettung teilgenommen. Auch zwei Helikopter waren im Laufe des Freitags noch eingeflogen. Einer hatte Sprengstoff aus Sevilla gebracht, der im Rettungsschacht zum Einsatz kam, ein anderer war mit medizinischem Gerät ausgestattet und bereit, das Kind umgehend in ein Krankenhaus zu fliegen, hätte Julen überlebt.

Freunde und Unterstützer der Familie hatten sich in den vergangenen Tagen versammelt, um gemeinsam mit den Eltern zu beten und zu singen. Sogar aus dem drei Autostunden entfernten Sevilla waren völlig Fremde angereist. Spanische Folklore hallte durch die Dunkelheit. Viele Anwesende konnten in diesen Momenten ihre Tränen nicht zurückhalten. Als die Eltern sich in ein Zelt zurückzogen, sang die Gruppe noch lange weiter.

Den Eltern hatten die Verantwortlichen in den letzten Stunden des Einsatzes den Zugang zum Bohrloch verwehrt. Auch, um sie vor der Presse abzuschirmen. Sie erlebten nur aus der Ferne, wie die acht Bergleute aus Asturien Zentimeter um Zentimeter Gestein aus dem Querstreb in der Richtung der Stelle schlugen, wo Julen schließlich gefunden wurde. Sie waren die Ersten, die vom Tod des Kindes erfuhren.

José Rosello und Victoria García wurden während der gesamten zwölf Tage rund um die Uhr von Psychologinnen betreut. Aus Kreisen der Familie war zu hören, dass es aber vor allem die Anwesenheit von Juan José Cortes war, der den Eltern gut tat in den vergangenen fast zwei Wochen. Vor mehr als zehn Jahren hatte der Betreuer selbst seine damals fünfjährige Tochter verloren und daraufhin eine Organisation gegründet, die anderen Eltern hilft, über den Verlust ihrer Kinder hinweg zu kommen.

"Nichts, was es vorher gab, ist im Geringsten mit diesem Einsatz vergleichbar"

"Die Eltern sind wahnsinnig stark. Ich versuche ihnen Mut zu machen, solange der Junge nicht gefunden ist", sagte Cortes noch am Freitagmittag. "So oder so müssen sie ihr Leben weiterführen. Und sie dürfen sich keine Vorwürfe machen."

Wenige Stunden bevor Julen gefunden wurde, verteidigte der Präsident der Provinzfeuerwehr von Málaga Francisco Delgado Bonilla, der auch Politiker der neuen andalusischen Regierungspartei PP ist, die Bergungsarbeiten. "Es gab keine falschen Entscheidungen. Die Bedingungen, unter denen hier gearbeitet werden, sind extrem hart", sagte Bonilla.

Unabhängige Architekten und Ingenieure hatten sehr früh nach Beginn der Arbeiten, die gesamte Strategie der Verantwortlichen in Frage gestellt. Ihre Hilfsangebote wurden ignoriert. Die Kritiker warfen der Politik vor, einen in der Praxis unerfahrenen Theoretiker als federführenden Ingenieur eingesetzt zu haben, der viele Tage verschenkt habe, weil er unter anderem auf das falsche Gerät setzte. Bonilla reagiert empört auf die Vorwürfe. "Einen solchen Fall unter solchen Bedingungen auf solchem Gelände hat es noch nie gegeben. Nichts, was es vorher gab, ist im Geringsten mit diesem Einsatz vergleichbar."

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