Süddeutsche Zeitung

Fußball-Bundestrainer:Ende eines Hemden-Epos

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Joachim Löw wird nicht nur sportlich, sondern auch stilistisch eine große Lücke am Rande des Rasens hinterlassen.

Von Silke Wichert

Allein der Name wird fehlen. Jogi. Wie ein probiotischer Joghurt-Drink. Die Frisur dürfte ebenfalls so schnell keine Nachahmer finden. Eigentlich konnte diese Mischung aus Beatles-Pilzkopf und Völler-Vokuhila sowieso immer nur einer tragen. Sein Friseur verriet einmal, dass Jogi Löw die Haare nach vorn wachsen und er sie im Grunde gar nicht anders kämmen könne, was diesen eigentlich ein bisschen störe. Aber ohne sein volles, dunkles Haar hätte er es mit Sicherheit nie auf die weltweiten Listen der "Hottest football coaches" geschafft, erst recht nicht in die Online-Ausgabe der amerikanischen Vogue, wo eine frisch fußballbegeisterte Autorin einmal über diesen "Kyle McLachlan"-Verschnitt der Germans schwärmte. Und nach dem Regenspiel gegen die USA bei der WM 2014 überschlug sich halb Twitter über seinen ungewollten Wet-Look.

Als Jogi Löw nach der Heim-WM 2006 vom Klinsmann-Sidekick zum Nationaltrainer aufrückte, wurde er schon bald zur "Stilikone" erklärt, ein Status, der erstens in der Erbfolge von Männern wie Uli Stielike (groß karierte Sakkos) oder Berti Vogts (Goldkrawatte) nicht allzu schwer zu erreichen war. Und zweitens wird das hierzulande auch über Barbara Schöneberger und Daniel Brühl gesagt. Im Ausland avancierte der Jogi aus Schönau im Schwarzwald sogar zu einer Art Posterboy am Rande des Rasens. Ganze Facebook-Seiten wurden über seine schönen Haare und seine taillierten Strenesse-, später dann Boss-Hemden gefüttert. Dass er stets die gut gebügelten Ärmel hochkrempelte, verlieh ihm gleich noch etwas Zupackendes. Vor allem konnte er damit natürlich viel freier den Vize umarmen, wenn es etwas zu feiern gab. Und zu feiern gab's rückblickend ja doch einiges.

Eine positive Begleiterscheinung hat die Ära Löw für all jene Mundartsprecherinnen und -sprecher, die sich als hinterwäldlerisch verspottet fühlen. Sein alemannischer Heimatdialekt, der sich aufs Unheilvolle mit dem schwäbischen Einschlag aus den Stuttgarter Jahren mixte, vermochte seinen Cool-Faktor nicht entscheidend zu schmälern. Im Gegenteil, es war eine Zeit lang unter Vorgesetzten fast schon schick, von der Belegschaft "höggschde Konzentration" zu fordern. Selbst gelegentliches höggschd konzentriertes Nasepopeln an der Seitenlinie wurde ihm verziehen, jedenfalls von manchen.

Ein weiterer, klarer Wettbewerbsvorteil für Löw in modischer Hinsicht: mangelnde Konkurrenz. Zeitweise saßen auf den anderen Bänken eben Männer wie Vicente del Bosque (Spanien) oder Carlos Dunga (Brasilien). Andere wie Antonio Conte (Italien) trugen die Hemden ähnlich eng, behielten aber stets das Nationaljackett drüber an. Mit zunehmendem Alter machte sich Löw sogar noch lockerer und erschien bei der EM 2016 bisweilen in engen grauen T-Shirts.

Egal, wer dem 61-Jährigen auf der Trainerbank folgt - modisch kann der Neue wahrscheinlich erst mal nur verlieren. Zumindest sollte er tunlichst keine engen weißen, hochgekrempelten Hemden tragen.

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