Niederlande:Brückentag für Bezos
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Der Amazon-Gründer hat sich eine Yacht bauen lassen, so groß, dass sie nicht durch eine historische Brücke passt. Nun will Rotterdam sie für den reichsten Mann der Welt vorübergehend abmontieren.
Von Thomas Kirchner
Rotterdam ist einen Besuch wert, allein wegen der waghalsigen modernen Architektur. Prächtige Bürgerhäuser bietet die Stadt nicht, die haben die Deutschen plattgebombt im Krieg. Deshalb hängen die Einwohner an den paar Relikten vergangener Zeiten, die ihnen bleiben. Eines davon ist die Eisenbahnhebebrücke über die Neue Maas, mitten in der Stadt. Längst fahren die Züge durch einen Tunnel, aber als man die Brücke 1993 abreißen wollte, gab es großen Protest, also machte man sie zum Denkmal.
Umso irritierter sind die Rotterdamer nun, dass diese Brücke bald vorübergehend abmontiert werden soll. Um Platz zu machen für die neue Segelyacht von Amazon-Gründer Jeff Bezos. Die ist mit 127 Metern nicht nur außergewöhnlich lang, sondern mit ihren Masten auch so hoch, dass sie unter der Hebebrücke, deren Mittelteil sich nur 38 Meter in die Höhe hieven lässt, nicht durchpasst. Oceanco, eine Werft im flussaufwärts gelegenen Alblasserdam, bat die Stadt deshalb um den Gefallen. Anders gelange ihr Produkt nicht zum Kunden, der reichste Mann der Welt werde für die Kosten aufkommen. Es gibt schon Bilder von der Yacht, die derzeit noch Y721 heißt: viel Holz und weiße Farbe, dunkler Rumpf, Bezos mag es schlicht. Zumindest, was Farben und Material angeht.
Die Stadt ließ sich überreden. Man müsse pragmatisch sein, sagt Marcel Walravens, der als Projektleiter für die Stadt den Umbau managt. Man müsse an die Arbeitsplätze denken, an das Geld und an die große Schiffbau-Vergangenheit der Niederlande. Allerdings hatte die Verwaltung 2017, nach einer großen Sanierung der Brücke, versprochen, dass sie "nie wieder abmontiert" werde. "Arbeitsplätze sind wichtig", schimpft deshalb Ton Wesselink von der Historischen Gesellschaft Roterodamum. "Aber es gibt Grenzen, was wir mit unserem historischen Erbe anstellen können und dürfen."
Die 500-Millionen-Dollar-Yacht hat ein Zusatzboot, weil die großen Segel Helikopter beim Landen stören
"De Hef" (Der Hub), wie die Koningshavenbrug im Volksmund heißt, wurde 1878 zunächst als Drehbrücke errichtet. Weil die Schiffe damit Probleme hatten, wurde die grüne Stahlkonstruktion 1927 zur Hebebrücke umgebaut. Wagemutige sprangen Rekorde von dieser Brücke, einer starb dabei. Wie alles andere wurde auch De Hef schwer beschädigt im Krieg, aber rasch wiederaufgebaut, damit die Züge rollten.
Und dieses Monument soll nun dem 500-Millionen-Dollar-Spielzeug von Jeff Bezos weichen? Der sogar ein Zusatzboot braucht für das Schiff, weil die großen Segel seinen Helikopter sonst beim Landen stören? Diese Aussicht hat in manchen Politikern auch den Kapitalismuskritiker geweckt. "Dieser Mann hat sein Geld damit verdient, das Personal strukturell auszubeuten, Steuern zu hinterziehen und Vorschriften zu umgehen", sagt der grüne Stadtrat Stephan Leewis. Er wolle mal die Absprache mit Oceanco sehen, und wehe, ein einziger Cent Steuergeld werde für den Ab- und Wiederaufbau ausgegeben. Auch der TV-Moderator Tim Hofman meldete sich: "Wie wunderbar das wäre, wenn die Stadt Rotterdam einfach sagen würde: Sorry, geht nicht. So wie das Bezos macht, wenn seine Angestellten im Lager eine Pause möchten."
Andere sind weniger streng mit der Stadt. Er verstehe den Aufruhr, sagt der Sozialdemokrat Dennis Tak. Aber große Schiffe würden fast nur noch in Asien gebaut, und es sei doch prima, wenn man Bezos ein bisschen Geld aus der Tasche ziehen und in der Region verteilen könne. Noch hat Y721 keine Masten und liegt an der Werft. Irgendwann im Sommer aber wird das Schiff gen Rotterdam fahren und durch die Koningshavenbrug. Gut möglich, dass dann auch ein paar Tomaten fliegen.