Jean-Marie Lustiger:Als Jude geboren, als Kardinal gestorben

Der langjährige Erzbischof von Paris, Jean-Marie Lustiger, ist tot. Der 80-Jährige erlag am Sonntag in einem Pariser Hospiz einem Krebsleiden.

Der Tod des einstigen Erzbischofs wurde in der Kirche Saint-Germain-des-Prés in der französischen Hauptstadt nach dem Abendgottesdienst bekanntgegeben. Lustiger wurde als Sohn einer jüdischen Familie aus Polen in Paris geboren und trat im Alter von 14 Jahren zum Christentum über. Er setzte sich Zeit seines Lebens für die Annäherung zwischen Juden und Christen ein, war aber nicht unumstritten. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy würdigte Lustigers Lebensweg als "Beispiel und Mysterium".

Jean-Marie Lustiger: Jean-Marie Lustiger im Jahre 2005

Jean-Marie Lustiger im Jahre 2005

(Foto: Foto: Reuters)

Lustiger hatte im vergangenen Oktober mitgeteilt, er sei schwer krank. In dem Hospiz im 15. Pariser Arrondissement wurde er seit dem 23. April gepflegt. Im Januar hatte er noch die Messe für den verstorbenen Armenpriester Abbé Pierre in der Kirche Notre Dame in Paris mitzelebriert.

Kardinal Lustiger galt als enger Vertrauter und Freund von Papst Johannes Paul II. Die Direktiven des Kirchenoberhauptes aus Rom befolgte der Franzose stets buchstabengetreu und war damit mit der katholischen Kirche Frankreichs nicht immer einig.

Mit Johannes Paul II. verband ihn die Liebe zur Philosophie aber auch die Kompromisslosigkeit in Sachen Doktrin und Liturgie. Doch nicht nur konservative Wortmeldungen wie im Streit um die Sterbehilfe oder die katholischen Privatschulen Frankreichs sind von Lustiger bekannt. Auch in Sachen sozialer oder internationaler Gerechtigkeit war er ein unermüdlicher Streiter.

Als Aaron Lustiger wurde der spätere Kirchenmann am 17. September 1926 in Paris geboren, seine Eltern waren polnische Juden, die vor Verfolgungen in ihrer Heimat nach Frankreich geflohen waren. Im Alter von 14 Jahren konvertierte Lustiger zum katholischen Glauben und nahm den Vornamen Jean-Marie an.

Zwei Jahre später wurde seine Mutter nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Seine Priesterweihe erfuhr Lustiger 1954 in Paris, danach war er 15 Jahre lang der Universitätsgeistliche der Sorbonne und der großen französischen Eliteschulen. Es war Johannes Paul II., der ihn 1979 zum Bischof von Orléans und 1981 zum Erzbischof von Paris machte.

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