Japan: Zerstörtes Atomkraftwerk Fukushima-1:Kampf gegen radioaktives Wasser

Lesezeit: 3 min

Neue Hiobsbotschaften aus dem Katastrophen-AKW Fukushima-1: Durch ein Leck im Betonsockel des Reaktors 2 sickert verseuchtes Wasser ins Meer. Meteorologen befürchten zudem, dass radioaktive Partikel am Sonntag auch nach Tokio wehen könnten.

Jeden Tag tauchen am zerstörten Atomkraftwerk Fukushima-1 neue Probleme auf. Nun ist es radioaktives Wasser, das aus Reaktor 2 sickert, wie der Betreiber Tepco bestätigte. Und als ob das noch nicht genug ist, erklärte der Sprecher der Atomsicherheitsbehörde, Hidehiko Nishiyama, dass das verseuchte Wasser aus diesem Block inzwischen in den Pazifik sickere.

Einsatzkräfte auf einem Schiff am havarierten Atomkraftwerk Fukushima: Radioaktives Wasser sickert inzwischen in den Pazifik. (Foto: REUTERS)

Fieberhaft setzte Tepco die Arbeiten zur Beseitigung des verseuchten Wassers in der Anlage fort. Dazu wird das unter Turbinengebäuden angesammelte Wasser in einen Tank geleitet, meldete die Nachrichtenagentur Jiji Press.

Experten versuchten, einen etwa 20 Zentimeter langen Riss am unterirdischen Tunnelsystem des Reaktors 2 mit Beton abzudichten, teilte ein Tepco-Verantwortlicher weiter mit. Die Strahlung des Wassers in dem leck geschlagenen Schacht betrage etwa 1000 Millisievert pro Stunde. Am Abend hieß es einem Bericht des TV-Senders NHK, der Versuch, das Leck mit Beton abzudichten, zeige bislang keinen Erfolg. Der Beton sei wegen der großen Wassermenge nicht hart geworden.

Tepco gab an, dass in den übrigen Reaktoren keinen Risse gefunden worden seien. In seinem verzweifelten Kampf gegen den Super-GAU will der größte asiatische Stromanbieter jetzt auch sogenannte Springer einsetzen - Arbeiter aus anderen Firmen, die für besonders riskante Tätigkeiten mit umgerechnet bis zu 3500 Euro pro Schicht entlohnt werden sollen. "Meine Firma bot mir 200.000 Yen (1670 Euro) den Tag", zitierte die Wochenzeitung Post einen 30 Jahre alten Arbeiter. "Normalerweise wäre das ein Traumjob, aber meine Frau fing an zu weinen, und darum habe ich abgelehnt."

Japans Atomsicherheitsbehörde bestätigte die Tepco-Angaben über das Leck. Das Unternehmen müsse genau untersuchen, warum sich in dem Schacht überhaupt Wasser angesammelt habe, sagte ein Vertreter. Besonders ungünstig ist an dem Austritt des radioaktiven Wassers, dass es die Versuche behindert, das Kühlsystem des Atomkraftwerks in Gang zu bringen. Das Leck könnte auch der Grund sein, warum die radioaktive Belastung im Seegebiet rund um das Kraftwerk auf das 4000fache der erlaubten Werte angestiegen ist, hieß es.

Meteorologen befürchten derweil, dass radioaktive Partikel am Sonntag auch in die Millionenmetropole Tokio wehen könnten. Der Wind in Japan kommt immer mehr aus Nordost. "Tokio könnte etwas abkriegen", sagte ein Sprecher des Deutschen Wetterdienstes. Bislang trug der Wind die Strahlenbelastung hauptsächlich auf den offenen Pazifik hinaus.

Unterdessen hat Regierungschef Naoto Kan bei seinem ersten Besuch im Katastrophengebiet drei Wochen nach dem verheerenden Beben und dem Tsunami den Opfern seine volle Unterstützung zugesagt.

"Es ist ein etwas langer Kampf, aber die Regierung wird Ihnen bis zum Ende beistehen und ihr Bestes tun, bleiben auch Sie bitte zäh", sagte Kan zu einer Gruppe von Feuerwehrmännern in der vom Erdbeben und dem Tsunami schwer verwüsteten Stadt Rikuzentakata in der Präfektur Iwate.

In einigen Lagern immer noch kein Strom und Wasser

Zuvor sprach Kan in einer Notunterkunft in einer Grundschule Opfern Mut zu und versprach die Hilfe der Regierung. Einer der anwesenden Obdachlosen warf Kan jedoch vor, dass er erst jetzt in die Region komme.

Kan hatte kurz nach Beginn der Katastrophe einen Hubschrauberflug unternommen, um das havarierte Kraftwerk in Fukushima-1 aus der Luft zu inspizieren. Einen geplanten Besuch der Opfer in den zerstörten Gebieten hatte er zunächst wegen schlechten Wetters absagen müssen.

In einigen Lagern gebe es auch nach drei Wochen noch keine Strom- und Wasserversorgung, sagte ein 45 Jahre alter Fischer bei Kans Besuch dem Vernehmen nach. Der Premier solle sich diesen Problemen widmen.

Anschließend stand eine Besichtigung der Operationsbasis "J- Village" auf dem Programm des Premiers. Dabei handelt es sich um einen etwa 20 Kilometer von dem havarierten Atomkraftwerk Fukushima-1 gelegenen Sportplatz. Auch dort wollte Kan mit Soldaten und anderen Rettungskräften sprechen.

Regierungssprecher Yukio Edano sagte über die eintägige Reise, es sei sehr wichtig für den Regierungschef, sich selbst im Krisengebiet persönlich ein Bild zu machen und mit den Betroffenen zu sprechen.

Suche nach Vermissten

Unterdessen ist Bundesaußenminister Guido Westerwelle zu einem Solidaritätsbesuch in Japan eingetroffen. Drei Wochen nach der Erdbeben- und Tsunamikatastrophe wollte der FDP-Politiker in Tokio mit Außenminister Takeaki Matsumoto zusammenkommen. Auf dem Programm stand auch ein Gespräch mit deutschen Wirtschaftsvertretern und Bundesbürgern, die trotz der Atomkrise in Japan geblieben sind. Außerdem plante Westerwelle ein Treffen mit Angehörigen der deutschen Botschaft.

Der Vizekanzler will sich bei dem vierstündigen Besuch über die Folgen des Unfalls im Atomkraftwerk Fukushima-1 informieren und weitere Hilfen anbieten. Unmittelbar nach der Katastrophe war ein Bergungsteam des Technischen Hilfswerkes (THW) nach Japan gereist, um bei der Ortung und Rettung von verschütteten Menschen zu helfen.

Tausende von japanischen und US-amerikanischen Soldaten sowie andere Rettungskräfte setzten derweil ihre intensive Suche nach Vermissten im Gebiet der schwer zerstörten Stadt Ishinomaki in der Provinz Miyagi fort. Sie konzentrierten sich am zweiten Tag der auf drei Tage angelegten Suchaktion auf das Gebiet um eine Grundschule, wo viele Schüler von dem Tsunami erfasst worden waren.

Taucher suchten auch einen Fluss in der Umgebung ab. Am Tag zuvor hatten die Einsatzkräfte 32 Leichen in den Trümmern entdeckt. Insgesamt waren durch das Beben und die an einigen Orten 20 Meter hohe Flutwelle 11.800 Menschen ums Leben gekommen. In der unmittelbaren Umgebung des havarierten Atomkraftwerkes in Fukushima-1 werden circa tausend Opfer vermutet. Sie können auf Grund der hohen Strahlung derzeit nicht geborgen werden. Kyodo meldete unter Berufung auf die Polizei zudem noch mehr als 15.500 Vermisste.

© sueddeutsche.de/dpa/pak - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: