Rennpferde:Schnell zum Schlachter

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Beim Japanischen Derby, hier im Mai 2023, treten dreijährige Vollblüter an. (Foto: Imago)

Vor Japans großem Galopprennen macht ein gut gemeinter Plan deutlich: Die gefeierten Pferde werden später oft verspeist.

Von Thomas Hahn, Tokio

Pferde-Sushi und das Japanische Derby haben mehr miteinander zu tun, als man wissen will. Das große jährliche Traditionsrennen über 2400 Meter für dreijährige Vollblüter findet diesen Sonntag auf der Galopprennbahn in Tokio zum 91. Mal statt. Mit 648 Millionen Yen, 3,8 Millionen Euro, ist es dotiert. Und Freunde des Ereignisses interessiert jetzt natürlich vor allem die Frage, wie sie wetten sollen. Wirklich auf Justin Milano vom Gestüt Northern Farm in Abira, der als Favorit gilt? Oder vielleicht doch lieber auf einen Außenseiter wie Meisho Tabaru oder Ecoro Walz? Verdrängt wird hingegen, dass die versammelten Derby-Teilnehmer schon wenige Jahre später in ausgesuchten Restaurants als Rohdelikatesse auf gesäuertem Reis gereicht werden könnten.

Aber so ist es. Die meisten Rennpferde in Japan kommen relativ bald nach der Galopperkarriere zum Schlachter. Dabei sind sie dann selten älter als sieben Jahre, könnten also noch mehr als 20 Jahre leben. Ein gut gemeinter Plan des japanischen Rennsportverbandes JRA hat diese betrübliche Tatsache wieder ins Bewusstsein gebracht. Die JRA, ein staatliches Unternehmen unter Aufsicht des Agrarministeriums, gab Mitte April bekannt, sich künftig mit einer eigenen Stiftung um die Pflege früherer Rennpferde zu kümmern. Damit bestätigte die JRA indirekt, dass sie sich bisher nicht richtig darum gekümmert hatte.

Und jetzt? Die große Wende für mehr Pferdewohl im Inselstaat? Eher nicht. Rund 6000 Rennpferde werden laut dem Agrarministerium in Tokio jährlich aus dem Rennbetrieb genommen. Die neue Stiftung soll 30 Ex-Rennpferde auf einem JRA-Grundstück in Utsunomiya versorgen. Und zwar nur für ein oder zwei Monate, um etwas Zeit zu gewinnen auf der Suche nach neuen Besitzern für sie, ehe sie vielleicht doch zum Verzehr freigegeben werden.

In Japan gilt Pferdefleisch als Delikatesse. Roh wird es zum Beispiel für Sushi verwendet. (Foto: IMAGO/Panthermedia)

Kein Wunder, dass Tierschützer den JRA-Plan zu dünn finden und mehr Beschäftigung für Pferde anmahnen. Maiko Yasuno, Direktorin der Non-Profit-Organisation Animal Rights Center, sagte der Zeitung Asahi: „Die Ursache des Problems wird kaum zu beseitigen sein, wenn man nicht mehr Möglichkeiten für den Umgang von Menschen mit Pferden anbietet.“

Im bergigen Inselstaat ist Platz knapp

Japan ist nicht das einzige Land, in dem Rennpferde nach dem Gebrauch entsorgt werden. Und auch in Japan gibt es private Gnadenhöfe für frühere Galopper. Aber das Zweckdenken der Pferdesportindustrie scheint hier besonders ausgeprägt zu sein. Platz ist knapp im bergigen Inselstaat, alle sind kostenbewusst, und es gibt weniger Reitklubs als in Europa. Deshalb ist es schwierig, jedes Jahr Tausende gealterte Rennpferde unterzubringen. Die meisten Besitzer wollen sie möglichst schnell loswerden. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass das Geschäft mit den Vierbeinern gut läuft. Die JRA steigerte ihren Umsatz 2023 auf 3,28 Billionen Yen, 19,3 Milliarden Euro.

Und jetzt also das Japanische Derby. Der Werbespot zum Rennen verheißt großes Galopperkino. Slogan: Hero is coming. Es feiert sich eine Branche, die ihre potenziellen Helden später zu Essen verarbeitet.

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