Jugendschutz:Japans saubere Lösung für Pornos

Lesezeit: 2 Min.

Wer einen Porno loswerden möchte, kann ihn in einen solchen Briefkasten stecken. (Foto: Chacmool/CC by 4.0 via wikimedia)

In weißen Briefkästen ließen sich jahrzehntelang Pornos diskret entsorgen, damit sie nicht in falsche Hände gerieten. Eine einst gute Idee aus der Stadt Amagasaki, die nicht mehr zieht.

Von Thomas Hahn, Tokio

Japans weiße Briefkästen stehen immer noch für den Triumph der einfachen Idee über den schlüpfrigen Kommerz. Seit den Sechzigerjahren gehören sie zur Ausstattung vieler Städte im Inselstaat und schlucken den Schund, den eine Gesellschaft eben auch aushalten muss. Eltern und Pädagogen stellten seinerzeit fest, dass die Druckerzeugnisse einer selbstbewusster werdenden Unterhaltungsindustrie nicht ganz zu ihren erzieherischen Vorstellungen passten. Sie wollten verhindern, dass der Nachwuchs die Darstellungen der Fleischeslust im Hausmüll oder unter Vaters Bettkasten fand. Die weißen Briefkästen waren die Lösung. Väter und andere Kunden konnten ihre Pornos dort diskret entsorgen.

Allerdings werden auch gute Ideen nicht jünger. Die Postboxen zum Jugendschutz setzen Rost an. Und Print ist out. Den Trend zur Videokassette in den Achtzigern konnten die weißen Briefkästen noch gut aushalten; ihr Einwurfschlitz war schließlich groß genug für das neue Material. Die Umstellung auf die schlankeren DVDs war erst recht kein Problem. Die bunte Bilderwelt des Internets hingegen ist zu viel für eine betagte aufrechte Altmedien-Tonne. In vielen Städten werden die Briefkästen abmontiert.

Zum Beispiel in Nagasaki. Laut dem Lokalsender NBC zählte die zuständige Verwaltungsabteilung im Jahr 2009 rund 20 000 „schädliche Bücher“ in den 84 weißen Briefkästen der Präfektur. 2023 waren es nur noch 9000. Stattdessen würden immer mehr Hausmüll und Zigaretten in den Boxen landen – als seien sie ganz gewöhnliche Abfalleimer. Yuko Obi, Soziologin an der Tokyo Keizai University und Fachfrau für die Geschichte der weißen Briefkästen, bestätigt die Entwicklung in der Nachrichtenagentur Kyodo.

Das Internet stellt den Jugendschutz vor neue Herausforderungen

Als vor 62 Jahren in der Stadt Amagasaki, Präfektur Hyogo, die ersten Sammelvorrichtungen für einen züchtigeren Alltag installiert wurden, breiteten sie sich bald im ganzen Land aus. Jetzt geht der Trend in die andere Richtung. „In den vergangenen zehn Jahren oder so“ seien Japans weiße Briefkästen überall im Inselstaat rasch weniger geworden, sagt Yuko Obi.

Es gibt auch Verteidiger der alten Kästen. In denen ist schließlich immer noch viel Material drin, das nicht jugendfrei ist. Kazuhide Inoue kann das bezeugen. Für die Stadt Nakagawa in der Präfektur Fukuoka leert der 73-Jährige seit zwölf Jahren weiße Briefkästen. „Obwohl die Anzahl der Boxen zurückgegangen ist, spielen sie immer noch eine wichtige Rolle“, zitiert ihn Kyodo. „Bevor die weißen Boxen aufgestellt wurden, lag dieses Zeug auf den Straßen herum.“

Es gibt allerdings Schlimmeres. Das Internet stellt den Jugendschutz vor neue Herausforderungen. Auch deshalb finden Jugendschützer die schönen weißen Briefkästen wahrscheinlich nicht mehr ganz zeitgemäß. Nach Statistiken der Nationalen Polizeibehörde wurden 2023 insgesamt 1444 Minderjährige Opfer von Kinderpornografie. Laut Polizei geht es deshalb nicht mehr nur darum, den Nachwuchs vor Papas Playboy zu bewahren. „Sondern auch darum, Kinder zu unterstützen, die online zu Opfern wurden.“ Dabei helfen die ehrenwerten weißen Briefkästen nicht.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusSchutz vor Misshandlung
:Wenn Kinder Angst vor Mama und Papa haben

In einem Haus im Münchner Westen wohnen Jungen und Mädchen, die verwahrlosten oder deren Vater die Mutter ermordet hat. Seit 50 Jahren versucht der Kinderschutzbund, den Schutzlosesten zu helfen. Manchen retten sie das Leben.

Von Kathrin Aldenhoff und Catherina Hess

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: