Süddeutsche Zeitung

Japanische Erfindung:Magenknurren? Papier her!

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Zwei Japanerinnen haben ein Schreib-Set entwickelt, das man essen kann - als Abhilfe bei peinlichen Geräuschen.

Von Thomas Hahn, Tokio

Moeka Hoda und Kanako Murakami würden sicher nicht behaupten, mit ihrer Erfindung eine Revolution in der reichen japanischen Papierkultur angezettelt zu haben. Aber dass sie den Papierkonsum auf eine neue Ebene gehoben haben, dürfen die beiden Angestellten einer Druck-Design-Firma aus Ryūō in der Präfektur Shiga durchaus für sich beanspruchen. Jedenfalls haben sie auf dem japanischen Schreibwaren-Markt eine Lücke gefüllt. Sie haben einen Notizblock gegen das peinliche Magenknurren in Unterricht oder Konferenz entwickelt. Moeka Hoda sagt in der Zeitung Asahi, das Produkt sei für die beiden jungen Frauen etwas "sehr Persönliches".

Japanisches Papier, Washi genannt, ist ein Qualitätsprodukt, das auf der ganzen Welt seit Jahrhunderten bewundert wird, reißfest, schön, vielseitig einsetzbar. Rembrandt hat es einst für seine Kupferdrucke verwendet. In Japan ist es unter anderem ein fester Bestandteil der traditionellen Architektur; die Rahmen der Schiebetüren werden damit beklebt. Und obwohl Papier natürlich auch in Japan längst industriell hergestellt wird - Washi bleibt dort ein lebendiger Bestandteil des Kulturerbes.

Die Aufgabe: "Lösungen für die Probleme der Welt"

Moeka Hoda, 22, und Kanako Murakami, 25, sahen im Grunde auch keinen Papier-Mangel in ihrem Heimatland. Es war nur so, dass sie vor zwei Jahren an einem Brainstorming-Projekt nationaler Druck-Unternehmen teilnahmen. Das Thema lautete: "Lösungen für die Probleme der Welt". Mit Problemen der Welt waren Beschwerden gemeint, die Menschen in sozialen Medien äußerten. Eine Beschwerde interessierte Moeka Hoda und Kanako Murakami besonders: "Es ist peinlich, dass mein Magen im Unterricht Geräusche macht." Sie kannten das Problem. Sie wollten es lösen und hatten eine Idee: Warum nicht einfach diskret essen, was man im Unterricht oder im Meeting ohnehin dabeihat?

Also konzipierten sie ein Schreib-Set zum Verzehr: 9-mal-7-Zentimeter-Notizblätter aus Esspapier an einem Füller mit genießbarer Tinte. Sie nannten es Kamihime, eine Wortschöpfung aus Kami, Papier, und Otohime; Otohime bezeichnet ein Gerät, das auf Toiletten eine Melodie oder ein Rauschen abspielt, um die irdischen Geräusche des Toilettennutzers zu übertönen. Moeka Hoda und Kanako Murakami stellten Kamihime zunächst mehr zum Spaß auf Youtube vor. Aber der Zuspruch war groß.

Seit 1. April kann man den essbaren Notizblock für 2000 Yen, 15 Euro, über ihren Arbeitgeber online bestellen. Notizblock und Füller kommen in einem Karton. Der Karton ist nicht essbar. Aber im Deckel ist ein Symbol. Wenn man es rubbelt, duftet es. Vier Duftnoten gibt es: Vanille, Erdbeere, Orange, Curry. Der Ess-Notizblock selbst ist "geschmacks- und geruchsneutral", heißt es in der Produktbeschreibung. 1000 solcher Notizblöcke gegen den unpassenden Heißhunger kamen in den Verkauf. Laut Asahi sind 500 schon weg. Und Kanako Murakami hofft, dass Kamihime "peinliche Momente des Magenknurrens in lustige Momente verwandelt".

Die Urväter des Japan-Papiers wären stolz auf die Erfinderinnen. Es gibt nur einen Haken an dem Schreibblock-Snack. Wer seine Notizen isst, hat sie hinterher nicht mehr. Vielleicht wäre das ein Thema für das nächste Brainstorming-Projekt.

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