Süddeutsche Zeitung

Japan:Starkes Erdbeben in Fukushima

Vier Menschen sterben bei der Erschütterung in der Region um die Atomruine. Das mächtige Beben weckt in Japan schlimme Erinnerungen an die Katastrophe von 2011.

Am Morgen nach dem mächtigen Erdbeben in der Region um die Atomruine der Präfektur Fukushima hat Japans Premierminister Fumio Kishida eine erste Bilanz gezogen. "Bis heute Morgen um 8 Uhr haben wir Berichte über vier Tote und 97 Verletzte erhalten, die wir im Zusammenhang mit der Katastrophe untersuchen", sagte er vor dem Haushaltsausschuss des Parlaments. Er bestätigte außerdem, dass ein Hochgeschwindigkeitszug zwischen den Bahnhöfen Shiroishi Zao und Fukushima entgleist sei und 2,08 Millionen Haushalte im Versorgungsgebiet des Energieunternehmens Tepco keinen Strom gehabt hätten. In der Region Tohoku seien am Donnerstagmorgen immer noch 38 500 Kunden eines anderen Energieversorgers ohne Strom gewesen.

Kishida hatte aber auch gute Nachrichten: Keine Verletzten bei dem Zugunglück. Und: "Keine Anomalien in den Anlagendaten" der nationalen Kernkraftwerke. Damit wollte er wohl sagen, dass trotz der Erschütterung keine Radioaktivität ausgetreten sei, nachdem Tepco in der Nacht von Problemen berichtet hatte: An den Ruinen des Atomkraftwerks Fukushima Daiichi hatte es in einem Turbinengebäude Feueralarm gegeben. Zwölf Kilometer südlich, im Atomkraftwerk Fukushima Daini ,waren Pumpen in einem Abklingbecken für gebrauchte Brennstäbe ausgefallen.

Die Polizei korrigierte die Zahl der Verletzten später auf 107. Der Schreck der Mittwochnacht ging über in Trauer über die Opfer und Erleichterung, dass die Schäden im Rahmen blieben. Das Erdbeben ereignete sich am Mittwoch um 23:36 Uhr Ortszeit, 15:36 Uhr deutscher Zeit. Nach Angaben des japanischen Wetteramtes lag das Epizentrum vor der Küste der Präfektur Fukushima in etwa 60 Kilometer Tiefe. Es hatte eine Magnitude von 7,4. Bei einer solchen Stärke kann man sich nicht mehr auf den Beinen halten. Zahlreiche Menschen in Fukushima mussten ins Krankenhaus. Das Wetteramt gab zunächst eine Tsunami-Warnung aus.

Die Nachrichtenagentur Kyodo veröffentlichte Bilder der Zerstörung aus Fukushimas Städten: Zersplitterte Fenster in Koriyama. Ein eingestürztes Haus in Kunimi. Risse in einer Straße in Soma. Das Beben war auch in anderen Teilen des Inselstaates zu spüren. In Tokio, rund 250 Kilometer von Fukushima entfernt, hatten viele Stadtteile eineinhalb Stunden lang keinen Strom.

Pazifische Platte schiebt sich unter Japan

Der Seismologe Marco Bohnhoff vom Potsdamer Geoforschungszentrum (GfZ) nannte das Beben "für japanische Verhältnisse mittelgroß". Alle in Japan wissen, dass es auch ganz anders kommen kann. Vor der Küste treffen gleich vier Erdplatten aufeinander, das macht das Land extrem anfällig für Erdbeben. Auch im Großraum Tokio, mit 37 Millionen Menschen das größte Metropolgebiet der Welt, ist man gefasst darauf, dass es im Grunde jeden Augenblick zu einer ähnlich schweren Erschütterung kommen kann wie 1923; beim Großne Kanto-Erdbeben mit einer Magnitude von 7,9 starben geschätzt mehr als 140 000 Menschen. Und Japans größtes Erdbeben seit Menschengedenken hatte ja gerade erst seinen elften Jahrestag.

Am 11. März 2011 erschütterte das Große Ostjapan-Erdbeben mit einer Magnitude von 9,0 die Präfekturen Fukushima, Miyagi und Iwate. Es löste einen verheerenden Tsunami aus. Rund 20 000 Menschen starben. Eine Riesenwelle traf damals das Atomkraftwerk Fukushima Daiichi und löste dort eine Kernschmelze in drei Reaktoren aus. 165 000 Menschen mussten ihre Häuser verlassen. Bis heute sind Gebiete um Fukushima Daiichi wegen der Strahlenbelastung unbewohnbar.

Das Erdbeben vom Mittwoch war eine besonders deutliche Erinnerung daran, dass man in Japan auf wackligem Grund lebt. Es sei kein unerwartetes Ereignis gewesen, sagt Seismologe Bohnhoff. Die Pazifische Erdplatte schiebe sich unter Japan, dieser Prozess werde aufgehalten, wenn sich die Platten verhakten. Dann sammele sich im Laufe von Jahren bis zu Jahrhunderten Energie, die sich schlagartig entlade. Es sei nicht ausgeschlossen, aber eher unwahrscheinlich, dass jetzt unmittelbar noch ein größeres Beben folge. Das Wetteramt in Tokio warnte davor, dass sich in den nächsten sieben Tagen ein weiteres Beben ähnlicher Stärke ereignen könnte.

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