Japan:Eisfischen

Große Aufregung in den sozialen Netzwerken: Hat ein japanischer Vernügungspark in seiner Schlittschuhbahn tatsächlich 5000 Fische einfrieren lassen?

Von Christoph Neidhart

Der "Space World"-Vergnügungspark in Kitakyushu in Japan hat sich dieses Jahr mal etwas ganz Besonderes ausgedacht. Im Internet verkündete der Park nichts weniger als eine "Weltpremiere" und auf der offiziellen Facebook-Seite stöhnte ein Fisch: "Oh ... oh ... ich ersticke". Es gibt in dem Park eine Eisfläche, die Eismeister hatten hier angeblich 5000 Fische lebend eingefroren. Würden japanische Kinder also tatsächlich ab sofort mit ihren Kufen über tote Karpfen, Krabben, Haie und Rochen gleiten? Der Bericht eines lokalen Fernsehens löste Entrüstung aus, und jetzt berichten Medien auf der ganzen Welt über die seltsamen Fische von Kitakyushu. Die Seite mit den stöhnenden Fischen haben sie übrigens mittlerweile gelöscht. "Widerlich", "unmoralisch", "absurd" wurde in den sozialen Medien geschrieben. Der Park auf Japans Westinsel Kyushu zog nun die Konsequenzen: "Wir entschuldigen uns bei den Menschen, die sich auf unserem 'Aquarium des Eises' unwohl fühlten, und haben es geschlossen." Ein Sprecher beeilte sich zu versichern, der Park habe die eingefrorenen Fische bereits tot am örtlichen Fischgroßmarkt gekauft; andere Fischleichen seien mit unters Eis geschmuggelten Fotos lediglich optisch simuliert worden. Der Park, so hieß es nun, habe zu keiner Zeit lebende Fische für die Schlittschuhbahn eingefroren. "Unsere Eisbahn hatte seit der Öffnung vor zwei Wochen mehr Besucher als in anderen Jahren", sagte Space-World-Manager Toshimi Takeda zu CNN. Dennoch schien er die Empörung nicht ganz zu verstehen und machte klar, der Park habe bloß dem öffentlichen Druck nachgegeben.

Der Umgang der Japaner mit ihren Tieren ist auf sonderbare Weise schizophren. Viele Japaner behandeln ihre Haustiere wie Kinder - oder als Kindsersatz: In Japan leben mehr Hunde und Katzen als Kinder unter 16 Jahren. Sie kleiden ihre Hunde ein; in Tokios Mode-Viertel Omotesando gibt es hochpreisige Hunde-Boutiquen und -Friseure. Manche führen ihre Vierbeiner, die vor allem niedlich sein müssen, im Kinderwagen spazieren oder tragen sie im Hunde-Snuggly vor der Brust. Andererseits klagen Tierschützer, Berufstätige sperrten ihr Hundchen den ganzen Tag und bis spät in den Abend allein in ihre winzigen Wohnungen. In manchen Tierhandlungen sind die Käfige so eng, dass sich die Vierbeiner kaum drehen können.

Im Hafenstädtchen Taiji, das für seine Delfin-Treibjagd bekannt ist, führt das Wal-Museum mit einer Delfin-Show vor, wie schlau die Meeressäuger sind. Wie sie mit Menschen kommunizieren. Aber es zeigt auch, wie Wale geschlachtet werden: Das anmutige Tier wird auf eine Masse Fleisch reduziert. Die 5000 Fische von Kitakyushu dürften posthum die umgekehrte Verwandlung durchlaufen, von der Sache zur Vermenschlichung. Es heißt, der Park überlege, eine Gedenkfeier für die toten Fische zu veranstalten.

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