Jagdmesse in Dortmund:Auf der Pirsch nach dem perfekten Foto

Jagdmesse in Dortmund: Fisch und Bikini: Babs Kijewski ist Deutschlands prominenteste Anglerin.

Fisch und Bikini: Babs Kijewski ist Deutschlands prominenteste Anglerin.

(Foto: PR)

Auf der "Jagd & Hund" in Dortmund treffen sich Zehntausende Jäger, Angler und Waffenfans aus der ganzen Welt - hauptsächlich Männer. An der Frauenquote arbeitet die Branche aber. Mit Erfolg.

Von Titus Arnu, Dortmund

Auf der Dortmunder Messe spielen sich dieser Tage sonderbare Szenen ab. Der Angel-Blogger Marcel Wiebeck referiert über das Thema "Fängig bei Nacht - Wobbelzander", als Nichtangler hört man nur "Wobbelzander" und ist vom Klang des Wortes so fasziniert, dass die restlichen Details irgendwie wobbelig bleiben, undurchschaubar wie ein trüber Teich. Man schlendert vorbei an ausgestopften Giraffenköpfen und toten Löwen, streichelt beim Verein "Deutsch Stichelhaar e. V." über deutsche Stichelhaare, begegnet einem Mann mit einem Falken auf der Schulter. Und steht plötzlich vor einem gewaltigen Waffenarsenal.

Am Stand eines Waffenherstellers wiegt ein sechsjähriger Junge zärtlich ein Schnellfeuergewehr im Arm, seine Mutter filmt den kleinen Baller-Mann mit dem Smartphone. Gegenüber bestaunen Männer in Karohemden eine Mini-Granate, die "Ecostrike" heißt und geeignet ist für den "Nahkampf auf Sauen". An der Imbissbude stehen die Leute währenddessen Schlange für Brötchen mit Rothirschknochenschinken und Wildschweinblutwurst.

Panzerwesten für Jagdhunde, Sauenschutzhosen, Reißhaken zum Aufbrechen von Wild: Auf der "Jagd & Hund" kann man als Nichtjäger Produkte bestaunen, von denen man nicht mal ahnte, dass sie existieren. Die Mehrheit der Besucher auf der größten Jagdmesse Europas wundert sich weniger, denn es handelt sich um Fachleute, Zehntausende Jäger, Angler und Waffenfans aus der ganzen Welt. Auf den ersten Blick ist das Jagdwesen eine archaische Männerwelt, ein martialischer Kosmos aus Messern, Blut, Geländewagen, Sägen, Tarnwesten und Zielfernrohren. Auf der Messe sollen aber nun "Influencer" auf sozialen Medien, junge Frauen und Bekanntheiten wie der Ex-Fußballer Patrick Owomoyela für ein frischeres Image sorgen. Die Botschaft: Hey, Jagen und Angeln ist hip, irgendwie öko, und man kann nette Leute treffen (im sozialen Sinn).

Für das Instagram-Foto perfekt gestylt auf die Pirsch

Lena Spiering ist 23 und war Kandidatin für den Titel "Jägerin des Jahres 2016", sie nennt sich "Huntress Lena" auf Instagram und Facebook. Die junge blonde Frau aus Geestland ist eine der hübschen Vorzeigefiguren, die auf der Messe in der "Speakers' Corner" mithelfen sollen, die Jagd zu entdämonisieren. Auf Instagram ist zu sehen, wie Huntress Lena perfekt gestylt auf die Pirsch geht, Füchse zur Strecke bringt und mit ihrem Hund kuschelt. Ähnlich ästhetisch präsentiert sich Babs Kijewski, Deutschland prominenteste Anglerin. Sie reist als Youtuberin und Bloggerin durch die Welt und demonstriert auf ihren Online-Channels, wie sie riesige Fische an Land zieht, gerne im Bikini.

381 821 Mitglieder waren im Jahr 2016 beim Deutschen Jagdverband registriert. Davon sind nur sieben Prozent Jägerinnen, aber die Zahl steigt immerhin. An den Vorbereitungskursen zur Jägerprüfung nehmen mittlerweile 20 Prozent Frauen teil. Susanne Mayer, 29, hat bereits den Jagdschein und geht im Revier ihrer Familie auf die Pirsch, sie wirbt am Stand der Jungjäger Nordrhein-Westfalens charmant für ihr Hobby: Ihr gehe es um Naturschutz, bewusste Ernährung und die Gemeinschaft mit anderen Jägern, aber in Diskussionen schlage ihr oft totale Ablehnung entgegen. "Das Jagen ist in Verruf geraten", sagt sie, "dabei geht es uns überhaupt nicht um Blutdurst. Wir sind keine bösen Mörder."

Da sind viele Tierschutzverbände anderer Meinung. "Millionen Tiere sterben jedes Jahr, nur weil ein paar abgestumpfte Menschen Spaß am Töten haben", sagt Vanessa Reithinger, Fachreferentin für Wildtiere bei Peta. "Die Politik muss handeln und dem blutigen Hobby ein Ende setzen." Laut Jagdverband haben Jäger von 1. April 2015 bis 31. März 2016 bundesweit mehr als 4,2 Millionen Tiere getötet, im Schnitt mehr als 11 500 pro Tag. "Die Fronten zwischen Tierschützern und Jägern sind verhärtet", sagt Jungjägerin Mayer, "dabei muss das kein Widerspruch sein." Sie selbst ist im Tierschutzverein und geht gleichzeitig gerne auf die Jagd, kümmert sich um Aufklärung an Schulen und organisiert Müllsammel-Aktionen im Wald. Auf derartig engagierte Nachwuchskräfte hofft die gesamte Branche.

Im Angebot: 14 Tage Simbabwe inklusive Elefanten-Abschuss für 34 500 US-Dollar

Man muss aber nicht lange auf die Pirsch gehen, um auf der Messe auch die alte Welt der Trophäenjäger zu finden. Zum Beispiel am Stand von SB-Reisen, einem Veranstalter, über den man eine Jagdreise nach Simbabwe buchen kann, 14 Tage inklusive Elefanten-Abschuss für 34 500 US-Dollar. Die meisten Kunden interessieren sich für Jagdreisen nach Osteuropa - Braunbären schießen in Bulgarien, Elche in Russland, Waldschnepfen in Polen. "Wenn man dem Wild wieder einen Wert gibt, dann haben die Leute vor Ort ein Interesse an dessen Erhaltung", argumentiert Jochen Sudbrack, Inhaber des Reiseunternehmens.

Den Wandel des Jägerberufs in Deutschland beobachtet Sudbrack aufmerksam. Früher, sagt er, "konnte man als Jäger doch jedes Wochenende jagen gehen, heute redet einem die Frau rein und beansprucht auch Zeit für sich. Statt Jagdurlaub wird dann Familienurlaub geplant. Da bleiben nur noch zehn Tage im Jahr übrig für Jagdausflüge." Verrückte neue Welt.

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