Süddeutsche Zeitung

Jagd in Deutschland:Zu viel vor der Flinte

  • Zwischen April 2017 und März 2018 wurden in Deutschland mehr als 820 000 Wildschweine erlegt, so viele wie noch nie in einer Jagdsaison.
  • Das Überangebot an Wildschweinfleisch bewirkt, dass die Preise stark fallen; mancherorts werden nicht einmal mehr 50 Cent pro Kilogramm bezahlt.

Von Susanne Höll

Der Deutsche Jagdverband freut sich über einen Rekord. Zwischen April 2017 und März 2018 wurden in Deutschland mehr als 820 000 Wildschweine erlegt, so viele wie noch nie in einer Jagdsaison. Dass deshalb der Preis für Wildschweinfleisch im Keller ist, sorgt bei Liebhabern von Wildgerichten für gute Laune - bei den Waidleuten aber nicht.

Die Jagd ist ein kostspieliges Hobby, und der Verkauf des Wildschweinfleisches ist ein wichtiger Teil des Einkommens. Mancherorts werden inzwischen aber nicht einmal mehr 50 Cent pro Kilogramm bezahlt, früher brachte die Ware deutlich mehr ein. Die Händler sind beim Einkaufen vorsichtig geworden. Wegen der Afrikanischen Schweinepest ist vielen der Appetit auf ein mit Backpflaumen verfeinertes Ragout vergangen. Inzwischen verbreitet sich die Seuche nicht nur in Osteuropa, auch in Belgien gab es Fälle. Wildschweine werden von dem Virus befallen und können dieses auf ihre Artgenossen und auf Hausschweine übertragen. Deshalb sollen die Wildbestände in Deutschland reduziert werden.

Würde hierzulande auch nur ein Krankheitsfall entdeckt, werde man kein einziges Stück Wildfleisch mehr los, sagt Händler Robert Trube aus dem nordhessischen Großalmerode: "Dass die Pest den Menschen nicht befällt, ändert daran nichts." Trube kauft ausschließlich Tiere, die vom Ansitz aus erlegt wurden, keine aus Drückjagden, bei denen man Rotten aufscheucht und dann das Feuer eröffnet. Er zahlt, wie er sagt, pro Kilogramm immer noch zwei Euro, manchmal auch drei.

Womöglich müssen in der laufenden Saison noch mehr Tiere erlegt werden

Jäger, die direkt an Wildbret-Fans liefern, können auf etwas höhere Preise hoffen. Ulrich Kühnhold aus dem südhessischen Zwingenberg erlegt etwa ein halbes Dutzend Schwarzkittel pro Jahr. Er könnte mehr verkaufen, sagt er. Den Preisverfall aber registriert auch er: Ein Kilo Wildschwein sei derzeit preiswerter als ein Kilo Schweinefleisch beim Discounter.

Kühnhold weiß: Manchen Waidleuten wird die Sache inzwischen zu teuer. Jäger müssen für die Schäden aufkommen, die die Wildschweine in Mais- und Rapsfeldern anrichten. Da kommen schon einmal 5000 Euro zusammen. Das ist viel Geld angesichts des Preisverfalls. Er kenne, so sagt Kühnhold, drei Jäger, die ihre Reviere deshalb alsbald aufgeben wollten. Dabei wird eigentlich jeder Jäger gebraucht. Die Wildschwein-Bestände sind weiterhin hoch, womöglich müssen in der laufenden Saison bis März 2019 noch mehr Tiere erlegt werden als in der vergangenen.

Beim Deutschen Jagdverband zeigt man sich zwar zuversichtlich, dass die vielen Abschüsse zuletzt die Lage entspannt haben. Doch die Wildschweine genießen in diesem Herbst ein paradiesisches Leben. In den Wäldern regnet es Eicheln und Bucheckern, in aller Ruhe können sie sich üppige Fettgürtel anfressen. Auf freie Flächen begibt sich dieser Tage kaum ein Tier, die meisten bleiben im Unterholz, gut versteckt vor den Jägern. Wenn sich das nicht bald ändert und der Spätwinter milde ausfällt, können sich diese wohlgenährten Schweine vortrefflich vermehren - mit allen unschönen Nebenwirkungen für die Menschen. Wildhändler Trube ist sich deshalb sicher: "Wir müssen an den Schweinen dranbleiben."

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Quelle:
SZ vom 04.10.2018/eca
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