Süddeutsche Zeitung

Italienischer Ex-Regierungschef:Altenpfleger Berlusconi meldet sich zum Dienst

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Eine Viertelstunde zu früh und fleißig eingelesen in die Thematik: Silvio Berlusconi erfüllt seine Strafauflagen und leistet zum ersten Mal Sozialdienst in einem Heim für Demenzkranke. Nur ein Clown macht Ärger.

Vier Stunden Altenpflege, einmal pro Woche, über zehn Monate hinweg: Es ist sicher nicht übertrieben zu sagen, dass Silvio Berlusconi - 77 Jahre alt, Milliardär, Medienunternehmer, Macho und im Nebenberuf davor, dazwischen und danach lange Jahre Ministerpräsident der viertgrößten Volkswirtschaft der Europäischen Union - ziemlich viel Milde erfahren hat von der italienischen Justiz, als er von einem Mailänder Gericht im vergangenen Jahr wegen Steuerbetruges verurteilt wurde.

Vielleicht war das der Grund, warum Berlusconi, sonst nicht gerade für seine Demut bekannt, an diesem Freitag eine Viertelstunde zu früh zu seinem ersten Dienst erschien. Um 9:30 meldete er sich im Istituto Sacra Famiglia di Cesano Boscone, einer katholischen Einrichtung in der Nähe von Mailand. Dort wird Berlusconi in der San-Pietro-Residenz alte Menschen pflegen, die an Demenz oder Alzheimer leiden.

Berlusconi ließ sich in einer dunklen Limousine vorfahren und verschwand dann rasch in dem Gebäude, ohne ein Wort an die etwa hundert Journalisten, Fotografen und Kameraleute zu richten, die in einiger Entfernung auf ihn gewartet hatten.

Der ehemals so unbekümmerte Regierungschef fiel aber nicht nur durch vorbildliche Pünktlichkeit auf, sondern auch durch eine erstaunliche Dienstbeflissenheit: Er habe sich in den vergangenen Wochen über neue Therapien für Alzheimer-Kranke kundig gemacht, hatte Berlusconi noch vor einigen Tagen gesagt.

Ein Clown schlägt anderen Dienstort vor

Paul Pigni, der Leiter des Altenheimes, in dem Berlusconi seinen Dienst verrichten wird, hatte ja vorher auch gewarnt: "Die Arbeit in San Pietro ist anspruchsvoll." Und obwohl Berlusconi also exzellent vorbereitet zur Abarbeitung seiner Strafe erschienen war, waren nicht alle Anwesenden zufrieden.

Pippo Fiorito zum Beispiel, ein Gewerkschafter, der als Clown verkleidet durch die Absperrungen vor dem Seniorenheim gelangt war, hätte es lieber gesehen, wenn Berlusconi in einer anderen Einrichtung vorstellig geworden wäre. "Alle italienischen Arbeiter haben einen Traum: Berlusconi in San Vittori", rief Fiorito. San Vittori ist ein Gefängnis in Mailand.

"Ich hoffe, dass die Ankunft von Berlusconi kein Problem für unsere Heimbewohner wird. Denn sie sind es in erster Linie, um die wir uns kümmern müssen", sagte Cesare Kaneklin, der stellvertretende Leiter der Einrichtung. Höchstwahrscheinlich spielte er dabei auf die umfangreichen Sicherheitsvorkehrungen an, die nötig waren, um dem Ex-Regierungschef einen ungehinderten Zutritt zum Seniorenheim zu verschaffen. Wobei: Nirgendwo steht geschrieben, dass die Bewohner von San Pietro überhaupt gefragt wurden, ob sie Berlusconis Anwesenheit wünschen.

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