Was viele deutsche Autofahrer gar nicht wissen: Italien ist das Land der Blitzer. Oft ist die Überraschung groß, wenn Monate nach einer beschwingten Urlaubsfahrt der Brief mit einer happigen Bußgeldforderung im Briefkasten liegt – und womöglich kurze Zeit später der nächste eintrudelt. Nirgends in Europa gibt es so viele Radarfallen wie in Italien, mehr als 11 000 sollen es sein, mehr als doppelt so viele wie in Deutschland.
Das Geschwindigkeitslimit staffelt sich von 130 auf Autobahnen hinunter zu 110 auf Schnellstraßen, 90 auf Landstraßen und 50 in den Städten. Zunehmend richten Kommunen auch Tempo-30-Zonen ein, bekannt ist das Beispiel der Großstadt Bologna, die das zum Jahresbeginn verbindlich flächendeckend für das ganze Stadtgebiet eingeführt hat – eine umstrittene Maßnahme, die aber nach Ansicht von Tempokritikern Vorbild fürs ganze Land werden soll. Bisher ist die Zahl der Verkehrstoten in Italien mit mehr als 3000 im Jahr höher als in vielen anderen Ländern, auch höher als in Deutschland.
Matteo Salvini polterte gern gegen die „Abkassiererei“
Auf Landstraßen und insbesondere innerorts sind die Blitzanlagen nicht mehr wegzudenken, viele Gemeinden haben in den vergangenen Jahren nachgerüstet. Kritiker sprechen davon, dass die Idee der Sicherheit auf den Straßen längst in den Hintergrund getreten ist und es schlicht darum gehe, staatliche Kassen zu füllen. Namentlich der Chef der rechtspopulistischen Lega, Matteo Salvini, poltert gern gegen die „Abkassiererei“ und macht sich für die Rechte der Autofahrer stark. Als Verkehrsminister sitzt er seit der vergangenen Wahl an der richtigen Stelle, den Worten Taten folgen zu lassen.
Entsprechend hat am vergangenen Dienstag, fast ein wenig nebenbei, ein neues Dekret den Weg ins Amtsblatt gefunden, das den Wildwuchs an Blitzern eindämmen und die Lage für die Autofahrer verbessern soll. In Zukunft dürfen Blitzer nur noch dort aufgestellt werden, wo Tempo 50 oder mehr gilt. Der zunehmend beliebten Übung der Kommunen, auch schon in Tempo-30-Zonen blitzen zu lassen, ist damit ein Riegel vorgeschoben. Auch muss auf die Blitzer ausdrücklich und frühzeitig mit einem Schild hingewiesen werden – was heute schon häufig, aber nicht immer geschieht. Die Kommunen haben nun zwölf Monate Zeit, sich anzupassen, danach müssen die überzähligen Geräte abgebaut werden.
Mit der neuen Verordnung greife man hart gegen die „wilden Bußgelder“ durch, teilte Salvinis Verkehrsministerium mit. Blitzanlagen würden jetzt wieder für den Zweck eingesetzt, für den sie einmal erfunden worden seien: um für mehr Sicherheit und weniger Unfälle zu sorgen.
Der „Fleximan“ soll gefasst worden sein
Es ist sicher Zufall, aber ein ziemlich passender, dass die Neuregelung fast gleichzeitig mit der Nachricht zusammenfällt, dass im Nordosten Italiens der in den vergangenen zwölf Monaten zu Berühmtheit gelangte „Fleximan“ gefasst worden sei. So wurde der bisher unbekannte Täter genannt, der zunächst in der Region Venetien des Nachts Blitzanlagen mit einem Trennschleifer, also einer „Flex“, absägte. In den sozialen Medien bekamen die Aktionen Kultcharakter und wurden teilweise als willkommener Akt der Selbstverteidigung drangsalierter Autofahrer gefeiert. Fleximan, sozusagen der Robin Hood der Straßen. Im Laufe der Monate gab es offenbar Nachahmer auch in anderen Teilen des Landes, Dutzende Vorfälle wurden gemeldet, mitunter wurden Bekennerbriefe mit der Überschrift „Fleximan sta arrivando“ gefunden: Fleximan kommt.
Zwischenzeitlich kam auch eine zweite Aktion in Mode: das Abmontieren der in Italien ebenfalls weitverbreiteten Bodenschwellen in verkehrsberuhigten Zonen. Die Maßnahme wurde aber nicht gleichermaßen populär, wohl weil die Gefahr größer ist, ertappt zu werden – und weil die meisten Schwellen eben doch recht massiv am Boden verbaut sind.
Nun also hat die Polizei einen Enrico M. aus der Provinz Padua im Nordosten Italiens ermittelt, einen 42 Jahre alten Metallarbeiter, dem vorgeworfen wird, möglicherweise zusammen mit Komplizen mindestens fünf Anlagen umgelegt zu haben. Der Mann, der nach Medienberichten einen rechtsradikalen Hintergrund hat und möglicherweise unter Wahnvorstellungen leidet, befindet sich weiter auf freiem Fuß, ihm drohen eine Geldstrafe und bis zu drei Jahre Haft.