Italien:Schuldfrage in Genua

Das italienische Transportministerium wusste wohl vorher, dass es Probleme mit der Morandi-Brücke gab.

Von Andrea Bachstein

Offenbar wussten auch Experten des italienischen Infrastruktur- und Transportministeriums spätestens seit Februar, dass es Probleme mit dem Beton der vor einer Woche eingestürzten Autobahnbrücke in Genua gab. Das berichtet das italienische Magazin Espresso.

Damals habe eine Technikerkommission Berichte vorliegen gehabt, wonach die Belastbarkeit des Betons um zehn bis 20 Prozent reduziert sei, und beschloss Instandsetzungsarbeiten. Zur Ursache des Einsturzes des Ponte Morandi, bei dem 43 Menschen starben, sagte am Montag der Chef der Untersuchungskommission des Infrastrukturministeriums, Roberto Ferrazza, man müsse von mehreren Faktoren ausgehen: "Die Brücke hat sich erst verbogen, dann ist sie eingestürzt." Die Dynamik sei aber unklar. Der Verdacht richtete sich von Anfang an auf die Träger, die von den 90 Meter hohen Pfeilern ausstrebend die Fahrbahnkonstruktion hielten. Sie waren ursprünglich aus Beton und wurden später mit Stahltrossen verstärkt. Videos und Zeugenberichte sprechen dafür, dass ein oder zwei Träger rissen. Ob das der Anfang der Katastrophe war oder Folge eines anderen Vorgangs, weiß man noch nicht. Es müsse etwas gebrochen sein, so Ferrazza, das die ganze Konstruktion aus dem Gleichgewicht brachte und so die Fahrbahn zerriss. Dass diese zuerst nachgab, hält die Autobahngesellschaft für sehr unwahrscheinlich, dafür hätte es zuvor Anzeichen geben müssen. Auch dass zuerst der Pfeiler brach, gilt als ausgeschlossen.

Unterdessen bröckeln die noch stehenden Brückenteile so, dass Genua am Sonntagabend die "rote Zone" erweitert hat, die nicht betreten werden darf. Auch dürfen die Menschen, die durch den Einsturz obdachlos geworden sind, bis auf Weiteres nicht in ihre Wohnungen, um Habseligkeiten zu holen.

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