Italien:Was ist die richtige Pasta-Temperatur?

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Objekt der Begierde: Wie Spaghetti aus dem Wasser herauskommen sollen, darin sind sich die Italienerinnen und Italiener einig: al dente, bitte schön! (Foto: Michael Bihlmayer/Imago)

Nudeln kocht man in blubberndem Wasser - das ist in Italien oberste Regel. In Zeiten der Gaskrise plädiert ein Physik-Nobelpreisträger dafür, die Pasta bei ausgeschalteter Platte zu garen. Im Ernst?

Von Oliver Meiler, Rom

Ein Physiker ist nicht unbedingt auch ein guter Koch, aber schließen sich die beiden Qualifikationen automatisch aus? Der römische Nobelpreisträger Giorgio Parisi hat in Italien einen gastrophilosophischen Glaubenskampf über die Frage entfacht, ob die Pasta, wenn ihr Kochwasser dann mal zum Sieden gebracht worden ist, nicht ganz gut auch "passiv" garen kann. Jetzt, da die Gaspreise so hoch sind und Energiesparen gescheit ist. Feuer aus, Deckel drauf und warten. "Cottura passiva", so nennt sich der Prozess im Italienischen.

Parisi findet, oh ja!, geht wunderbar, auch wenn das bisher fast niemand macht. Der Deckel verhindere das Verdunsten, das Wasser bleibe deshalb länger heiß - das ist Physik. Die Spaghetti, die Bucatini, die Pappardelle, die Paccheri und die Penne müssten nur eine Minute länger als üblich im heißen Wasser liegen, also im Durchschnitt eher zehn Minuten als nur acht bis neun, dann wären sie genau so al dente, bissfest also, wie sich das gehöre.

Nun, das hätte er vielleicht besser nicht gesagt, da spaltet sich die Kochwelt. Und wenn man weiß, wie ernst die Italiener alles nehmen, was sich um ihre Küche dreht, nämlich viel ernster als das, was nun wieder in der Politik passiert, dann muss man da schon genau hinhören. In der Regel debattieren Traditionalisten und Modernisten. Solche also, die jede Abweichung vom ewig Gewissen für ein Sakrileg halten: Rahm in der Carbonara, Zwiebeln in der Amatriciana, Butter im Pesto, Parmesan auf Pasta mit Fisch und Meeresfrüchten - alles unerhört und unverhandelbar. Und solche, die das Alte, die Rezepte der Mamma und natürlich noch mehr die der Nonna, sanft erneuern, um es in die Zukunft zu retten.

Der perfekte Garpunkt der Pasta allerdings ist allen heilig. "Al dente" muss sie sein, alles andere ist Geschwätz.

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Das Lager von Parisis Gegnern wird von Antonello Colonna angeführt, einem römischen Sternekoch. Der spricht im Corriere della Sera von einem "Angriff auf den Gusto". Nobelpreis in Ehren, sagt er, aber vom Kochen habe Parisi keine Ahnung. Pasta, die im abkühlenden Wasser gare, werde gummig und schlaff. Darum: "Bei diesem gastronomischen Ritual darf es keine Kompromisse geben." Anhänger von Colonnas Denkschule raten, fürs Energiesparen die Heizung ein bisschen runterzustellen, einen Pullover zu tragen oder, etwas themenverwandter, frische statt trockene Pasta zu kochen: Die braucht nur etwa drei Minuten, bis sie gar ist.

Das Lager der Befürworter hat in Davide Oldani ihre Referenz, der führt ein bekanntes Lokal in Cornaredo bei Mailand. Oldani sagt, er verstehe die Aufregung nicht: "Ich koche die Pasta seit Jahren passiv, meine Mutter hat mir das so beigebracht." Gemerkt hat es offenbar niemand. Die international bekannteste italienische Pastamarke, die aus Parma mit dem B am Anfang des Namens, wirbt nun für die "cottura passiva", ein Ritterschlag für den Nobelpreisträger. Und die Vereinigung der italienischen Nudelhersteller rechnet vor, dass sich etwa 47 Prozent Energie sparen ließen, wenn beim passiven Kochen der Pasta auch noch etwas weniger Wasser gebraucht werde als gewohnt. Wenigstens eine Zeit lang, bis endlich wieder Friede ist in der Welt.

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