Vermisstenfall:Neue Spur im Fall der Tochter von Al Bano und Romina Power

Al Bano und Tochter Ylenia Carrisi

Vermisst: Ylenia Carrisi auf einer Aufnahme mit ihrem Vater.

(Foto: dpa)
  • 1994 verschwand auf mysteriöse und nie geklärte Weise die Tochter des Gesangsduos Al Bano & Romina Power.
  • Die Ehe zerbrach an diesem Verlust.
  • Nun führt eine Spur zum Lastwagenfahrer Jesperson, auch bekannt als "Happy Face Killer".

Von Oliver Meiler, Rom

Ihr größter Hit handelt vom Glück, von der "Felicità", diesem flüchtigen Gefühl. Zehntausend Mal besungen, oft im Play-Back, damit es auch live gut klingt. Wenn die Welt ein einziges Lied vom Künstlerduo und ehemaligen Ehepaar Al Bano & Romina Power kennt und gar beschwingt nachträllern könnte, dann ist es diese leichte Hymne auf die Freude am Leben. "Glück", heißt es in einer Zeile, "ist ein Glas Wein und ein Sandwich."

Die beiden trugen das Lied auch noch vor, sich selbst wiegend in der Melodie, nachdem die Freude schon aus ihrem Leben gewichen war. 1994 war das. Damals verschwand auf mysteriöse und nie geklärte Weise ihre erstgeborene Tochter Ylenia, eine Literaturstudentin auf Weltreise, animiert von der Lektüre Jack Kerouacs Tagebuch im Rucksack, 23 Jahre alt. Für immer.

Die Ehe zerbrach an diesem Verlust. Und am Streit über die unterschiedlichen Thesen, die er aufwarf. Die italienische Presse verfolgte das Familienunglück über all die Jahre hinweg mit einer Mischung aus Anteilnahme und drängendem Voyeurismus.

Nun sieht es plötzlich so aus, als ließe sich der Fall doch noch lösen.

War es der "Happy Face Killer"?

Die Polizei aus Palm Beach in Florida, die in einem alten Mordfall ermittelt, bat die Kollegen in Italien, Speichelproben einzuholen: bei Albano Carrisi, wie der Bauernsohn aus Apulien mit bürgerlichem Namen heißt, bei Romina Power, der Tochter des Hollywood-Stars Tyrone Power, und bei deren drei gemeinsamen Kindern.

Deckt sich das Genmaterial mit jenem, das die Detektive an der Leiche einer Frau gefunden haben, dann wäre Ylenia Maria Sole Carrisi wahrscheinlich von einem Serienmörder erdrosselt worden - dem Lastwagenfahrer Keith Hunter Jesperson, auch bekannt als "Happy Face Killer", weil er seine Briefe, mit denen er Fahnder und Medien neckte, jeweils mit einem Smiley versah.

"Es ist schmerzvoll, bitter"

Jesperson wurde 1995 festgenommen und wegen acht Morden zu dreimal lebenslanger Haftstrafe verurteilt. Er gestand unter anderem auch den Mord an einer Autostopperin, die er an einer Tankstelle in Tampa mitnahm und die offenbar nach Kalifornien oder nach Nevada wollte. Suzanne habe sie geheißen und einen Rucksack getragen.

"Suzy" oder "Suzanne" ließ sich auch Ylenia rufen, als sie auf ihrer Wanderreise für einige Monate in New Orleans hängen geblieben war und sich in einen Straßenmusiker verliebte. Die Polizei fertigte ein Phantombild an, und auf dieser Zeichnung erkennt man die Gesichtszüge von Ylenia.

Al Bano, 72, ist skeptisch. "Wir werden sehen, was da rauskommt", sagte er, als er den Besuch der Polizei bestätigte, "es ist schmerzvoll, bitter." Jedes Mal öffneten sich die Nähte der Wunde wieder. Instinktiv glaube er ja, dass auch diese Geschichte eine "Ente" sei.

Gerüchte um Ylenias Verschwinden

In seiner Autobiografie "È la mia vita" schreibt er, seine Tochter habe sich in den Mississippi geworfen. Er war stets davon überzeugt, dass seine Tochter - mutmaßlich unter Drogeneinfluss - Suizid begangen habe. Es gibt einen Zeugen, der gesehen haben will, wie sie sprang.

Es gab aber auch Vermutungen, Ylenia könnte verschleppt, vielleicht sexuell versklavt worden sein, von diesem Straßenmusiker aus New Orleans. Der Trompetenspieler trug ihren Reisepass bei sich, als ihn die Polizei zum Verhör einberief. 2014 erwirkte Al Bano indes, dass ein italienisches Gericht seine Tochter für tot erklärte. Er wollte damit sein "langes Martyrium" beenden, wie er es nannte.

Familientragödie vor Weltpublikum

Romina Power, heute 64, mochte dagegen die Hoffnung nie aufgeben, dass Ylenia noch lebt. Untergetaucht womöglich, aus freien Stücken. Versteckt in einem Kloster, irgendwo. Die Mutter war immer vom Lebensmut ihrer Tochter überzeugt.

Der Glaube half ihr all die Jahre beim Weiterleben. 1999 trennte sich das berühmte Paar, künstlerisch und privat. Es hatte Millionen Platten verkauft, war durch die Welt getourt, war vor Papst Johannes Paul II. aufgetreten, 1997 im Stadion Maracanã in Rio de Janeiro. Vor Weltpublikum.

Romina Powers Stimme war immer etwas dünn, seine aber umso üppiger. Zusammen trugen sie zum Sound Italiens der Siebziger, Achtziger und Neunziger bei - etwas schnulzig natürlich. Aber im nahen Ausland nährte dieser Sound die Sehnsucht nach dem Süden.

Das Comeback, eine Sensation

Al Bano heiratete ein zweites Mal, ein Showgirl aus Apulien, bekam mit ihr zwei weitere Kinder, baute Wein an, eröffnete eine Trattoria, trat in der Trash-Sendung "L' isola dei famosi" auf, der italienischen Version des "Dschungelcamps", ließ sich dann wieder scheiden. Keine besonders glorreiche Zeit.

Vor zwei Jahren fanden Carrisi und Power wieder zusammen, wenigstens als Gesangs-Paar, eine Sensation. Ein russischer Impresario hatte sie dazu gedrängt. Wahrscheinlich wurde ihnen viel Geld geboten. Sie machten sich auf zu einer Tour im Ausland.

Auf der Bühne wieder vereint

Im vergangenen Mai bespielten sie die Arena von Verona, das Konzert wurde live übertragen von Rai Uno, dem ersten Kanal des italienischen Staatsfernsehens. Sie ganz in Weiß, mit blond wallendem Haar. Er mit unverwüstlichem Tremolo in der Stimme.

Und als das Publikum danach rief, sangen die beiden auch wieder "Felicità". Live und nicht ganz frei von falschen Tönen, wie das Glück im wahren Leben.

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