Italien:Zu krank fürs Busfahren, fit genug für die Bühne

Italien: Ein kleiner Stadtbus der römischen Verkehrsgesellschaft Atac. Das Unternehmen hat Ärger mit einem Busfahrer, der sich auffällig oft krank meldete.

Ein kleiner Stadtbus der römischen Verkehrsgesellschaft Atac. Das Unternehmen hat Ärger mit einem Busfahrer, der sich auffällig oft krank meldete.

(Foto: imago stock&people)

Ein römischer Busfahrer meldet sich tagsüber krank und tritt abends als Sänger auf. Das darf er, hat ein Gericht entschieden.

Von Oliver Meiler, Rom

Busfahren und Singen, das lässt sich schon mal ohne Gefahr behaupten, ist nicht dasselbe. Kombinierbar hingegen wären die beiden Aktivitäten schon, vielleicht sogar mit Gewinn für die Passagiere. Doch diese Geschichte geht etwas anders.

Der Römer Ezio Capri ist Busfahrer, Angestellter der nicht eben gut beleumdeten, von chronischer Unpünktlichkeit und hoher Verschuldung geplagten städtischen Verkehrsgesellschaft Roms, der Atac. Und er ist Sänger, ein talentierter Imitator des 2013 verstorbenen Liedermachers Franco Califano. Auf Youtube gibt es Filme von Capris Auftritten im schwarzen, offenen Hemd, wie es einst der "Maestro" trug. Auch die Haare des fülligen Mannes - zum Verwechseln ähnlich. Selbst die hohen Töne trifft das Double problemlos. Wenn er ins Publikum winkt, wirkt das sehr professionell.

Ezio Capri aber nennt sein Singen ein Hobby und eine Passion, wenigstens vor Gericht. Schon zwei Mal haben sich Richter um seinen Fall gekümmert, beide Male zu seinen Gunsten, und das ist zumindest bemerkenswert. Es ist nämlich so, dass Ezio Capri sich mindestens fünf Mal krank meldete, ein ärztliches Zeugnis einreichte, seine Schicht aussetzte und am Abend dann jeweils dennoch auftrat - in der Bar Dante etwa in Zagarolo bei Rom, im "Nuovo Gusto" oder in der "Music Hall". Atac bezahlte den Ausfall, der Mitarbeiter soll ja krank gewesen sein. Mal war es eine Kolik, mal hoher Blutdruck, mal Diarrhö.

Doch einen Verdacht hatte das Unternehmen schon. Auffallend war, dass Capri an speziellen Tagen fehlte: Silvester, Valentinstag, Tag der Frau - immer dann, wenn seine Kunst wie Honig auf verliebte oder nostalgische Seelen fließen sollte. Und so saß in der Bar Dante in Zagarolo auch die Guardia di Finanza, Italiens Finanzpolizei, und notierte. Der Verdacht lautete auf Betrug am Staat. Ein römischer Untersuchungsrichter leitete ein Verfahren ein.

Herr Capri sang immer großartig, auch mit Kolik und Diarrhö

Capri aber wähnte sich verfolgt: "Es ist absurd", sagte er in einem Interview, "ich war zwar unpässlich, aber nicht moribund. Seit wann ist Singen ein Verbrechen?" Er habe sich am Abend jeweils wieder viel besser gefühlt. Und was er in der Freizeit tue und lasse, sei privat. Der Untersuchungsrichter kam tatsächlich zum selben Schluss und stellte das Verfahren ein. Er hielt es für plausibel, dass Capri zwar zu krank fürs Busfahren war, nicht aber fürs heitere Singen.

Außerdem habe sich der Angeklagte während der Arbeitszeit zu Hause aufgehalten, bereit für etwaige Kontrollen der Gesundheitsbehörden, und habe die Wohnung erst nach Ablauf der Dienstzeiten verlassen. Atac ging in Berufung, weil, wie es die Staatsanwaltschaft durchaus treffend formulierte, eine Pathologie nicht einfach so und genau zu Feierabend wieder aufhöre. Mehrmals. Und immer an speziellen Tagen.

Ezio Capri sang immer großartig, auch mit Kolik und Diarrhö. Es muss ein Wunder sein, eine Sensation. Nun hat er auch das Berufungsverfahren gewonnen. Man wünscht sich, dass er in Zukunft Arbeit und Kunst zeitlich zusammenlegt, das Busfahren und das Singen. "Tutto il resto è noia", heißt ein berühmter Titel aus dem Repertoire von Franco Califano, den er so gerne vorträgt: "Alles andere ist Langeweile."

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