Süddeutsche Zeitung

Italien:Mozzarella-Misere

Die neapolitanische Müllkrise zieht immer weitere Kreise. Aus Angst vor giftigen Bakterien sollen in Italien nun 32.000 kranke Büffel notgeschlachtet werden.

Stefan Ulrich

Wo es den besten Mozzarella gibt, ist unter Feinschmeckern umstritten. Manche schwören auf die Marktstände an der süditalienischen Landstraße, die von Battipaglia zu den Tempeln in Paestum führt. Natürlich sind die weißen, rundlichen Käsebrocken hier nicht aus Kuh-, sondern - traditionsgemäß - aus Büffelmilch gemacht.

Und selbstverständlich schmecken sie zarter und würziger als die Produkte der Kuh-Konkurrenz. Manche Käsehistoriker rühmen die Normannen oder die Anjou als Erfinder des Büffelmozzarellas. Seit 500 Jahren wird der Käse auch in Urkunden erwähnt. Er ist ein Stolz der Region Kampanien und ein wichtiges Exportprodukt, auch nach Deutschland.

Allerdings setzt die neapolitanische Müllkrise selbst diesem Leckerbissen zu. Weil die Verbraucher vor Giften wie Dioxin Angst haben, ist ihr Appetit auf Mozzarella geringer. Doch damit nicht genug. Bis zu 32.000 Büffel sollen zwangsgeschlachtet werden, weil sie von einem Erreger befallen sind.

Die Bakterien lösen die sogenannte Brucellose aus, die auch Malta-Fieber genannt wird. Sie kann Rinder und andere Tiere befallen und auf Menschen übertragen werden - etwa durch mit Bakterien verseuchten Mozzarella. Geschätzte tausend Italiener erkranken im Jahr an Brucellose. Sie bekommen hohes Fieber oder auch Entzündungen der inneren Organe. Dagegen helfen nur Antibiotika.

Die Bakterien kommen in vielen Gegenden der Welt vor. Die Tiere im Großraum Neapel haben seit zehn Jahren damit zu kämpfen. In dieser Zeit konnte sich die Seuche auch deshalb stark ausbreiten, weil die Camorra die Mozzarella-Produktion beherrscht, Amtstierärzte einschüchtert und Schlachtungen verhindert. Das behaupten jedenfalls italienische Zeitungen wie die seriöse La Stampa.

Tests seien verfälscht und befallene Tiere versteckt worden. 2007 verschärften die Behörden die Kontrollen. Das Ergebnis: Vor allem in der Provinz Caserta sind massenweise Büffel von dem Erreger befallen. Über ihnen schwebt das Schlachtmesser. Die Züchter sollen mit 66 Millionen Euro entschädigt werden, um deren Widerstand zu brechen.

"Die Sache hat auch etwas Positives", sagt Ettore Mautone, der Sprecher des Sonderkommissars, der Süddeutschen Zeitung. "Innerhalb von ein bis zwei Jahren werden wir absolut gesunde Ställe haben - was es im Rest der Welt nicht gibt." Das käme der Marke Büffelmozzarella zugute. Die Verbraucher könnten aber schon jetzt sicher in den Käse beißen. Denn bei der Pasteurisierung der Milch würden die Bazillen vernichtet.

Aber gilt das auch für den legendären, nach traditionellen Methoden hergestellten "Mozzarella di Bufala Campana", der sich mit der Herkunftsbezeichnung DOP schmückt und in ganz Europa geschützt ist? Hier werde zwar nicht so heiß pasteurisiert, räumt Mautone ein. Dafür würden Milch und Käse besonders streng kontrolliert. So habe ein neues Observatorium für Lebensmittelsicherheit in der Region im vorigen Jahr 83.000 Proben genommen. Nur in 0,01 Prozent davon sei der Erreger nachgewiesen worden.

Ob das die Käufer beruhigt? Einiges dürfte davon abhängen, ob die Massenschlachtung korrekt erfolgt. Die Region um Neapel muss beweisen, dass sie die Mozzarella-Krise besser meistert als den Müllnotstand. Was auch immer passiert: Feinschmecker werden auch künftig kaum den weichen, weißen, saftigen Klumpen widerstehen können, wenn sie an den Straßenständen vor Paestum vorbeikommen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.269278
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 19.01.2008/cag
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.