Süddeutsche Zeitung

Italien:Eine Mamma will nicht Vater sein

Ein Gericht in Rom gibt einem lesbischen Paar recht, das sich durch die Kategorien "Mutter" und "Vater" im Personalausweis seines Kindes diskriminiert fühlt. Die Rechte schäumt, die Linke jubelt. Ein Präzedenzfall?

Von Oliver Meiler, Rom

Eine Mutter ist eine Frau, ein Vater ein Mann, darüber herrscht in Italien Konsens - eigentlich. Aber kann eine Frau etwa auch Vater sein?

Ein lesbisches Paar, Eltern einer Tochter, hat sich am römischen Zivilgericht das Recht erstritten, dass auf der Identitätskarte seines Kindes nicht mehr "Vater" und "Mutter" steht, wie das jetzt der Fall ist, sie sind ja schließlich beide Frauen. Sondern die geschlechtlich neutrale Definition "Eltern" - genauer: "Elternteil 1" und "Elternteil 2". Im Einwohneramt von Rom müssen sie nun eine elektronische Identitätskarte ausstellen, wie sie die Software gar nicht vorsieht. Und wer weiß, vielleicht würde es sich lohnen, sie gleich ganz an die Moderne anzupassen. Es kann nämlich sein, dass dieses Einzelurteil das Zeug zum Präzedenzfall hat.

Die leibliche Mutter hat das Kind durch künstliche Befruchtung bekommen, ihre Partnerin hat es nach langem Gang durch die Ämter adoptiert, die zwei leben in einer eingetragenen Partnerschaft. "Unsere Tochter wächst mit zwei Müttern auf", sagen sie. In einer "Famiglia arcobaleno", wie die Italiener sagen, einer Regenbogenfamilie. Die Richter waren in ihrer Argumentation pragmatisch. Sie befanden, dass ein Reisedokument, das, wie in diesem Fall, einer Partnerin die Rolle des Vaters zuweist, obschon sie eine Frau ist, nun mal offen falsch sei und auch internationales Recht breche.

Das Urteil wirft hohe Wellen, und das hat natürlich vor allem mit Politik und Ideologie zu tun. Die identitäre, katholisch reaktionäre Rechte ist empört, die Linke triumphiert.

Eigentlich war Italien schon mal weiter, doch 2019 startete Matteo Salvini eine Konterreform

Italien war schon einmal viel weiter gewesen in dieser Frage: 2015 führte die damalige progressive Regierung ein, dass auf den Identitätskarten für Kinder die Namen der "Eltern" stehen, der "Genitori" also, auch auf Englisch: der "Parents". Damit sich Regenbogenfamilien nicht ausgeschlossen fühlten. 2019 fand Matteo Salvini von der rechtspopulistischen Lega, der damals Innenminister war, die sogenannte "natürliche Familie" gehöre verteidigt, und die gründe nun mal auf dem "Verbund eines Mannes und einer Frau". Er erließ ein Gesetzesdekret, auf den IDs wurde aus "Eltern" wieder "Vater" und "Mutter". Eine Konterreform.

Nach dem neuen Urteil twitterte Salvini nun: "Vater und Mutter sind die schönsten Wörter der Welt. Die sollen illegal und diskriminierend sein? Ich bin sprachlos, aber wirklich." Das Amt von Italiens rechter Premierministerin Giorgia Meloni ließ unterdessen ausrichten, man werde die Verfügung des Gerichts ganz genau studieren, es gebe da einen Haufen bedenkenswerter bürokratischer und technischer Aspekte. So sei zum Beispiel unklar, was passiere, wenn die Polizei Identitätskontrollen durchführe und aus dem Ausweis nicht direkt ersichtlich sei, wer die Mutter und wer der Vater sei.

Nun ja, manchmal ist die Wirklichkeit wohl einfach etwas komplexer, bunter. Meloni selbst, zweifelsfrei eine Frau vor dem Herrn, besteht ja bekanntlich darauf, dass sie nicht Ministerpräsidentin genannt wird, also "La Presidente del Consiglio", sondern männlich: "Il Presidente del Consiglio". Ganz offiziell, auf jedem Communiqué und auf jedem Briefkopf steht es so. Wenn da nur die Polizei nie vorbeikommen muss und nach einem Mann sucht.

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