Italien:Der Pate

Ndrangheta boss Fazzalari arrested in Italy

Ernesto Fazzalari, 46, wurde wegen Mord, Erpressung, Drogenhandel, Waffenhandel, Raub, Kidnapping und Zugehörigkeit zu einer mafiösen Vereinigung seit 20 Jahren gesucht. Bereits 2004 wäre er fast einmal gefasst worden.

(Foto: dpa)

Ernesto Fazzalari galt immer als besonders skrupelloser Mafioso: Nach 20 Jahren hat ihn Italiens Polizei nun endlich gefasst - in seinem Bett neben seiner Frau.

Von Oliver Meiler, Rom

Als alles vorbei war und sie ihn abführten, legte sich ein spöttisches Lächeln auf das bärtige, rundliche Gesicht von Ernesto Fazzalari. Man sieht es ganz gut auf dem kurzen Film, den die Carabinieri als Nachweis für ihren Coup drehten. Er lächelte, als wollte er sagen: "Zwanzig Jahre habt ihr gebraucht, um mich zu fassen - zwanzig Jahre! Und nun triumphiert ihr?"

Die Festnahme des 46-jährigen Bosses der kalabrischen Mafia, der Ndrangheta, wird in Italien wie ein historisches Ereignis begangen. Premier Matteo Renzi twitterte, kaum war die Verhaftung vonstatten gegangen, und erklärte die Nachricht zum Beweis dafür, dass der Staat nie und nirgends klein beigebe.

Auf der Liste der meistgesuchten Großkriminellen des Landes war Fazzalari die Nummer 2, gleich hinter dem Boss der sizilianischen Cosa Nostra, Matteo Messina Denaro. Und er hatte immer die Fama eines besonders skrupellosen Mafioso. Groß wurde Fazzalari zunächst im Schatten des Clans der Zagari aus Taurianova, einer Kleinstadt im rauen Gebirge des Aspromonte. Er war Fahrer und Bodyguard des Clanchefs und verliebte sich früh in dessen Tochter Rosita, die nun zusammen mit ihm verhaftet wurde.

Ab 1991 trat Fazzalari als Killer auf in einer blutigen Fehde um das Drogengeschäft, die die Zagari mit drei rivalisierenden Familien austrugen. Drei Jahre sollte der Bandenkrieg dauern, 32 Personen kamen dabei ums Leben. Fazzalari soll auch bei jener Operation dabei gewesen sein, bei der Giuseppe Grimaldi, einem Kontrahenten, mit einer Machete der Kopf abgetrennt wurde. Augenzeugen erzählten der Justiz, die Killer hätten den Kopf in die Luft geworfen, um darauf zu schießen, wie man auf Tontauben schießt. 1996 wurde Fazzalari wegen zweier Morde und etlicher Mordversuche zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt, in Abwesenheit. Vor zwanzig Jahren eben. Mehrere Male war die Polizei seither nahe dran gewesen, ihn zu stellen. Einmal roch es noch nach seiner Anwesenheit, als sie sein Haus stürmte. Doch Fazzalari galt als schier unfassbar.

"U lentu", "der Langsame", wie sie ihn nennen, weil schon sein Vater so gerufen wurde, war in Wahrheit eher schnell und trickreich. Vor allem aber war er über die Jahre hinweg so mächtig geworden in der Gegend rund um Taurianova, dass ihn alle deckten. Die Omertà, das Gesetz des Schweigens, schützte Fazzalari. In Kalabrien ist es besonders stark. Nur so lässt sich die lange Flucht erklären. "Flucht" ist ohnehin ein unpassender Begriff: Wahrscheinlich war er in diesen zwanzig Jahren nie weit weg gewesen, oder höchstens mal für eine Pferdemesse irgendwo in Italien. Fazzalari ist ein Pferdenarr.

Versteckt hatte er sich in Molochio, nur fünf Kilometer entfernt von Taurianova, in einem Haus mit gepanzerter Eingangstür. "Er lag im Bett", erzählten die Ermittler, "als das Kommando die Türe sprengte und das Schlafzimmer stürmte." Neben Rosita, seiner Frau. Fazzalari habe nicht einmal einen Fuß auf den Boden setzen können, so schnell sei alles gegangen. Die Pistole lag unberührt auf dem Nachttisch, samt Munition. Er zog sich an, eine Jeans und ein schwarzes Poloshirt, ließ sich in den Fonds eines Polizeiwagens drängen. Und lächelte.

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