Italien:Böse auf die Welt

BILANCIA

Donato Bilancia bei seiner Festnahme 1998. Nun ist er gestorben.

(Foto: Italo Banchero/AP)

Das "Monster der Züge" tötete 17 Menschen in sechs Monaten. Doch die Aufmerksamkeit reichte Serienmörder Donato Bilancia nicht. Jetzt ist er in einem italienischen Gefängnis an Corona gestorben.

Von Oliver Meiler, Rom

Corona tötet auch Mörder. Donato Bilancia, der "Serienkiller der Riviera", wie man ihn nannte, ist im Gefängnis Due Palazzi in Padua am Virus gestorben. Und die Zeitung Corriere della Sera schreibt: "Er wurde von einem Killer umgebracht, der noch viel serienmäßiger und unsichtbarer mordet, als er es tat, und gegen den auch seine Waffe, eine P38, nichts hätte ausrichten können." Bilancia wurde 69.

Ein halbes Jahr lang, von Herbst 1997 bis Frühjahr 1998, hatte er Italien terrorisiert. 17 Morde in sechs Monaten, an der Riviera Liguriens und im Piemont, etliche davon in der Eisenbahn, was ihm auch den Spitznamen "Monster der Züge" eintrug. Die Fahnder konnten lange kein Muster erkennen, keine Logik. Für eine Weile fragte man sich sogar, ob vielleicht die Mafia am Werk sei, in einer großen und rätselhaften Operation. Oder eine Bande von Kleinkriminellen. Dabei war der Mörder immer Donato Bilancia, geboren in der süditalienischen Basilicata, wohnhaft in Genua, eine Existenz im Schatten, beladen mit Spielschulden. Bilancia war süchtig nach Glücksspiel, auch klandestinem.

Sein erstes Opfer war der Betreiber einer illegalen Spielhölle in Genua, der ihn ausgerechnet mit der Hilfe seines besten Freundes hintergangen hatte. Alles Geld hatten sie Bilancia abgenommen. Er hörte ihnen zu, wie sie sich über ihren Coup freuten. Den Betreiber erdrosselte Bilancia, was ihn aber besonders traf, war der Verrat seines Freundes. Er erschoss ihn und dessen Frau mit seiner Walther P38. Dann mordete er einfach weiter, scheinbar wahllos: einen Goldschmied, einen Wachmann, einen Tankstellenwart, einen Geldwechsler, vier Prostituierte. Einmal, im Intercity La Spezia-Venedig, brach Bilancia die Türe zur Zugtoilette auf und erschoss die junge Frau, die sich darin befand. Nur eines seiner Opfer, eine transsexuelle Prostituierte, überlebte.

Verraten hat ihn am Ende ein Zigarettenstummel, den er neben einer Leiche liegen gelassen hatte. Die Polizei war ihm auf der Spur, nachdem ihr aufgefallen war, dass in der Nähe jedes Tatorts derselbe Wagen auftauchte, es war Bilancias. Das Genmaterial am Zigarettenfilter reichte aus für die Überführung. Und Bilancia gestand sofort alles, alle 17 Morde. Er erzählte von seiner schwierigen Kindheit, von den Schulden, von seiner Unzufriedenheit. Der Untersuchungsrichter, der ihn verhörte, fragte ihn damals: "Sie sagen also, dass Sie diese Menschen getötet haben, weil Sie böse sind auf die Welt?" - "Dummerchen", sagte Bilancia, "ist das etwa nicht Grund genug?"

Zu dreizehn lebenslangen Haftstrafen wurde er verurteilt. Er studierte im Gefängnis, machte einen Universitätsabschluss in "Management im Kulturtourismus", einmal gab es sogar einen Urlaub. Als er sich nun mit dem Virus ansteckte, hatte er schon 22 Jahre abgesessen. Donato Bilancia fand immer, andere Kriminelle hätten mehr mediale Aufmerksamkeit erhalten als er. Er war neidisch auf sie. "Der grausamste Killer in der Geschichte Italiens wäre gerne als großer Satan bekannt geworden", kommentiert der Corriere della Sera. "Doch auch das gelang ihm nicht. Er war nur ein Gescheiterter mittleren Alters, der nichts erreicht hatte im Leben. Seine Bosheit war müde, mehr dumm als pervers." Er habe es verdient, dass man ihn schnell vergesse.

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