Italien:Die Geschichte eines angezündeten Obdachlosen erschüttert Italien

  • In Palermo ist ein 46-jähriger Obdachloser im Schlaf angezündet worden.
  • Die Tageszeitung La Repubblica veröffentlichte auf ihrer Homepage Kameraaufzeichnungen von dem brutalen Mord.
  • Bei dem getöteten Mann handelt es sich um Marcello Cimino, dessen Familie nichts von seinem Leben auf der Straße wusste.

Von Oliver Meiler, Rom

Unter dem Portikus liegt nun ein Berg Blumensträuße, angelehnt an die rußigen Mauern der Missione San Francesco, einer Armenküche in Palermo. Und es ist nicht so klar, wofür die Blumen genau stehen: für Trauer, für Fassungslosigkeit, für schlechtes Gewissen - oder für alles auf einmal. Unter dem Säulenbogen am Eingang dieser Einrichtung für die Bedürftigsten, die von Kapuzinermönchen geführt wird, ist eine Tragödie passiert, die ganz Italien bewegt. Marcello Cimino, ein 46-jähriger Obdachloser, ist da bei lebendigem Leib verbrannt.

Es gibt ein Video davon, aufgenommen in der Nacht von einer Überwachungskamera der Mission - 30 Sekunden menschlicher Kälte. Viele Italiener haben es gesehen. Die Zeitung La Repubblica hatte es als erste veröffentlicht. Man sieht darauf einen Mann, eine Kapuze ins Gesicht gezogen, einen Eimer in der Hand. Er nähert sich dem Bettlager des Obdachlosen, der da schläft, schüttet den Inhalt des Eimers über die Decken, etwa da, wo der Kopf Ciminos sein muss. Dann sieht man, wie sich unter den Decken etwas regt. Der Täter zieht ein Feuerzeug aus der Tasche, wirft sich auf sein Opfer. Dann geht alles in Flammen auf. Auch die Hose des Täters fängt Feuer, er türmt.

Der Bürgermeister spricht von "Barbarei"

Als La Repubblica das Video online gestellt hatte, klagte die Staatsanwaltschaft in Palermo, die Zeitung behindere damit die Recherchen. Man vermutete, der Mord an Cimino könnte im verstörenderweise recht verbreiteten Hass über Randständige geboren sein. Und wenn der Mörder wisse, dass es Aufnahmen gebe, würde er wohl eher zu fliehen versuchen. Bereits waren die ersten Kommentare erschienen, die sich mit den Zeichen dieser verrohten Zeit beschäftigten. Palermos Bürgermeister Leoluca Orlando sprach von "Barbarei".

Das Video führte die Ermittler auf die Fährte eines Bekannten von Cimino, gleich alt, gelegentlicher Mitarbeiter einer Tankstelle. Die Männer hatten sich in der Armenküche kennengelernt, wo sie seit einigen Jahren verkehrten. Cimino, früher mal Klempner, hatte sich vor drei Jahren von seiner Frau getrennt, mit der er zwei minderjährige Töchter hat. Die sollten nicht erfahren, dass er obdachlos war. Auf Facebook schrieb er deshalb, er sei jetzt Verkäufer im alten Markt Ballarò. Er verkaufte dort alte Dinge, die er im Abfall fand. Eine der Töchter erzählt, sie habe ihren Vater erst kürzlich zufällig in der Stadt getroffen, und da sei er wie immer gewesen, fein gekleidet und rasiert, gut gelaunt.

Vielleicht war das sein Problem. Sein Bekannter von der Armenküche war nämlich zerfressen vom Verdacht, Cimino habe seiner Verlobten, einer 40-jährigen Frau, schöne Augen gemacht. Auch sie aß bei den Kapuzinern. Vor einigen Tagen hatten die beiden Männer auf der Piazza gestritten, vor der Frau. Es gab Zeugen. Als die Polizei den Mann nun fand, stritt der zunächst alles ab. Die Verbrennungen an der Hand? Die wollte er sich an einer Kaffeemaschine geholt haben. Sie nahmen ihn dennoch mit auf den Posten, wo er bald zusammenbrach. Ja, sagte er, die Eifersucht habe ihn getrieben.

Die Stadt wollte am Sonntagabend des Opfers gedenken - mit einem Fackelumzug, ausgerechnet.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: