Süddeutsche Zeitung

Berufungsprozess gegen Amanda Knox:Engel im eisblauen Pullover

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Der "Engel mit Eisaugen" ist zurück auf der Anklagebank: Drei Jahre nach dem Mord an einer britischen Austauschstudentin wird der Prozess gegen die US-Amerikanerin Amanda Knox und ihren italienischen Ex-Freund in Perugia neu aufgerollt.

Im italienischen Perugia hat der Berufungsprozess gegen die US-Amerikanerin Amanda Knox und ihren italienischen Ex-Freund Raffaele Sollecito begonnen. Sie waren vor einem Jahr wegen Mordes an der britischen Austauschstudentin Meredith Kercher zu jeweils 26 und 25 Jahren Haft verurteilt worden. Der elfmonatige Indizienprozess um Sex, Drogen und die spektakuläre Bluttat hatte die Knox zum Medienstar gemacht.

Knox und Sollecito waren bei dem Termin am Mittwoch anwesend: Die 23-Jährige wirkte angespannt, ihr Ex-Freund eher gelassen. Beide sitzen seit dem 6. November 2007 in Perugia in Haft und beteuern bis heute ihre Unschuld.

Die Anhörung dauerte nur etwa 15 Minuten, es ging um Verfahrensfragen. Das Gericht entschied, dass von den Verhandlungen keine Video- und Tonaufnahmen gemacht werden dürfen. Der Prozess wird am 11. Dezember fortgesetzt.

Die Britin Meredith Kercher war Anfang November 2007 mit aufgeschnittener Kehle, von mehr als 40 Messerstichen übersät und halbnackt aufgefunden worden. Ein dritter Verdächtiger, ein Mann aus der Elfenbeinküste, wurde bereits 2008 schuldig gesprochen und zu 30 Jahren Haft verurteilt. Er hatte vor Gericht ebenfalls seine Unschuld beteuert.

Sowohl die Verteidigung als auch die Anklage reichten Berufung gegen das Urteil ein. Knox' Anwalt Luciano Ghirga ersuchte um die Neuverhandlung des Falles, um neue Zeugen hören zu lassen und einen Freispruch zu erlangen.

"Ein gewaltsamer juristischer Zusammenprall"

Die Staatsanwaltschaft hingegen fordert die volle Ausschöpfung des Strafmaßes und eine Verurteilung zu lebenslanger Haft. "Wir wollen einen Freispruch, die Anklage verlangt lebenslange Haft: Es ist ein heftiger, harter und gewaltsamer juristischer Zusammenprall", sagte Ghirga in einem Interview.

Trotz der mehr als 100 Zeugenaussagen verlangen die Verteidiger unter anderem einen Audio-Test, um die Glaubwürdigkeit einer Zeugin zu überprüfen, die den Todesschrei des Opfers gehört haben will. Strittige, als Beweise vorgebrachte DNA-Spuren sollen - sofern möglich - erneut genommen und untersucht werden.

Knox muss sich im Mai noch einem zweiten Prozess wegen Verleumdung der Polizei stellen. Sie hatte während ihres Mordverfahrens behauptet, in der Untersuchungshaft misshandelt worden zu sein. Damit wollte sie erklären, warum sie sich mehrmals in schwere Widersprüche verwickelt hatte: Unter anderem hatte sie einen Barbesitzer der Tat bezichtigt.

Der Fall spaltet weltweit die Öffentlichkeit: In den USA überwiegt die Überzeugung, Knox sei unschuldig, die britischen Medien hingegen sind von der Schuld des "Engels mit den Eisaugen" überzeugt.

Die junge, hübsche Frau ist längst zum Medienstar avanciert: Der italienische Abgeordnete Rocco Girlanda veröffentlichte ein Buch mit Gesprächen mit der 23-Jährigen im Gefängnis - zudem laufen in Italien bereits die Dreharbeiten zu The Amanda Knox Story mit Hayden Panettiere in der Hauptrolle, der bereits im nächsten Jahr im US-Fernsehen ausgestrahlt werden soll.

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