Süddeutsche Zeitung

Italien:Berlusconis Singvogel

Spötter sagen, Berlusconi halte ihn wie einen Kanarienvogel. Nun muss Mariano Apicella wieder schmachten - auf einer neuen CD, gemeinsam mit dem presidente.

Julius Müller-Meiningen

Sie könnten Brüder sein, diese beiden kleinwüchsigen Unterhaltungskünstler. Der eine im grauen Oberteil an der Gitarre, der andere im gelben Hemd, laut trällernd mit offenem Mund. Beide braun gebrannt, strahlend, mit glänzender Haut.

Beim einen ist der Haaransatz altersbedingt etwas nach hinten verrückt, beim anderen per Implantation künstlich nach vorne versetzt. So zeigt sie ein Foto, das die Tageszeitung La Repubblica am Montag abdruckte.

Der eine ist Mariano Apicella, 45, Volksmusiker aus Neapel, der andere Silvio Berlusconi, 71, Italiens Ministerpräsident. Ins siebte Jahr geht das Zusammenspiel der beiden nun, an Weihnachten soll sie einen neuen Höhepunkt erleben: Dann kommt die dritte gemeinsame CD heraus.

Wie auf den letzten beiden Scheiben werden es wieder ausschließlich Liebeslieder sein, berichtet Apicella. Der Spross einer neapolitanischen Volksmusikerfamilie komponiert, Berlusconi textet mit Hilfe eines Mundart-Wörterbuchs.

Eingängige, im Dialekt Neapels gehaltene und alle politische Gräben übersäuselnde Liebesweisen ("Ammore mio, ammore mio, mon amour") machten die CD mit Namen "Meglio na canzone" ("Besser ein Lied") zum Kaufobjekt von angeblich 45.000 Italienern. Diese Marke will das Duo nun knacken.

Als 18-Jähriger war Apicella als Alleinunterhalter durch Ägypten, Saudi-Arabien, China und Südkorea gereist, bis er in den neunziger Jahren als Hausmusiker im Hotel Vesuvio in Neapel landete. Dort lernte er im Mai 2001 Berlusconi kennen, der zu ihm auf die Bühne kam und gesagt haben soll: "Darf ich mich vorstellen? Im Grunde sind wir Kollegen."

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Berlusconi, der sich sein Studium unter anderem als Chansonnier auf Kreuzfahrtschiffen verdiente, habe dieses "faszinierende Charisma und dieses eingebrannte Lächeln im Gesicht, die für unseren Beruf so wichtig sind". So beschrieb Apicella seinen Gönner einst im Interview und gestand: "Wenn Leute dabei sind, nenne ich ihn presidente. Ansonsten dottore. Er duzt mich."

Kurz nach der ersten Begegnung war Apicella im Besitz eines gut dotierten und bis heute immer wieder erneuerten Jahresvertrages. Wenn der Chef ruft, saust Apicella entweder zu Berlusconis Sitz nach Arcore bei Mailand oder zu dessen Anwesen an der Costa Smeralda auf Sardinien.

Vor einer Woche durfte er dort für den presidente und dessen russischen Gast, den Milliardär Roman Abramowitsch, singen. "Man sagt, Berlusconi halte ihn sich wie einen Kanarienvogel: im Käfig und bezahlt, um zu singen", spottete einmal Berlusconis Vertrauter Marcello Dell'Utri über das Verhältnis von Herr und Hofsänger.

Seinen offiziellen Lebenslauf hat Apicella bereits mit einer Reihe illustrer Potentaten geschmückt, die er zusammen mit dem Chef besungen hat: Die amerikanischen Präsidenten Bill Clinton und George W. Bush sind dabei, Spaniens König Juan Carlos und Wladimir Putin.

In diesen Tagen soll Berlusconi mit dem libyschen Staatschef Muammar el-Gaddafi über Entschädigungszahlungen wegen italienischer Verbrechen in der Kolonialzeit und über den Kampf gegen Flüchtlinge aus Afrika verhandeln. Wer weiß, welche Arie ihm dazu einfällt.

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Quelle:
SZ vom 27.08.2008
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