Israel:Pilger auf dem Minenfeld

Israel: Pilger aus aller Welt singen und beten, wo Jesus getauft worden sein soll. Von der Gefahr, in die sie sich begeben, wissen die wenigsten.

Pilger aus aller Welt singen und beten, wo Jesus getauft worden sein soll. Von der Gefahr, in die sie sich begeben, wissen die wenigsten.

(Foto: Alexandra Föderl-Schmid)

An Ostern herrscht Hochsaison im Heiligen Land. Pilger wollen nach Bethlehem und nach Jerusalem. Beliebt ist auch der Ort am Jordan, wo Jesus getauft worden sein soll. Doch nur wenige wissen: Hier liegen Tausende Minen.

Von Alexandra Föderl-Schmid, Qasr el-Yahud

Hunderte Menschen gehen jeden Tag in Qasr el-Yahud in das Wasser des Jordan. Jesus soll hier getauft worden sein, deshalb steht der Besuch des Ortes östlich von Jericho auf dem Programm fast jeder Pilgerreise in Israel. Manche Pilger lassen sich in den weißen Kleidern, die sie für umgerechnet sieben Euro im Souvenirshop nebenan erstanden haben, auch von einem Priester taufen - erneut oder zum zweiten Mal. Dazu muss man ganz untertauchen, was Überwindung kostet: nicht weil das Wasser so kalt ist, sondern wegen seiner grünbraunen Farbe. Viele füllen die dunkle Brühe trotzdem in ihre mitgebrachten Plastikflaschen, gerade jetzt, zu Ostern. Da herrscht Hochsaison im Heiligen Land.

Schon seit den frühesten Tagen des Christentums zieht Qasr el-Yahud Pilger an. 590 000 Menschen haben im Vorjahr diese Stelle besucht. Auch für Juden hat der von einer Wüstenlandschaft umgebene Ort Bedeutung, denn hier sollen die Israeliten nach ihrem Auszug aus Ägypten auf ihrem Weg ins Gelobte Land den Jordan überquert haben. Für viele Besucher ist dies ein spiritueller Kraftort; Gruppen beten und singen gemeinsam. Die Schilder in den parkenden Reisebussen verweisen auf Touristen aus verschiedenen EU-Staaten, aus der Ukraine, aus Russland und den USA.

Doch kaum jemand von ihnen weiß, dass er sich hier auf einem gefährlichen Minenfeld bewegt. Das ganze Gelände rund um die aus sandfarbenen Steinen errichtete Anlage mit Holzrampen am Fluss, Umkleidemöglichkeiten und einem überdachten Rastplatz ist seit dem Sechs-Tage-Krieg 1967 mit rund 3000 Landminen und Sprengfallen übersät. Erst vor Kurzem wurden zwei israelische Soldaten durch solche Minen schwer verletzt. Es ist die explosive Hinterlassenschaft der israelischen Armee, die das Gebiet vor 50 Jahren erobert hat und mit den Minen die Grenze zu Jordanien sichern wollte.

Insgesamt sieben Kapellen, Kirchen und Klöster gibt es auf dem Areal, zugänglich ist aber nur das etwa einen Kilometer von der Taufstelle entfernt liegende griechisch-orthodoxe Kloster St. Johannes der Täufer. Wenn man sich von dort Richtung Jordan bewegt, darf man nicht vom Weg abweichen. Ein falscher Schritt kann lebensgefährlich sein.

Die polnische Nonne Agnieszka, die gerade eben noch ihr schwarzes Ordenskleid bis übers Knie hochgezogen hat, um in den Jordan zu steigen, fotografiert die gelben Schilder mit der Aufschrift "Minengefahr!" direkt neben dem Parkplatz. Danach gefragt, ob sie weiß, was sie bedeuten, schüttelt sie den Kopf. Auch aus einer tschechischen Reisegruppe weiß niemand Bescheid. Einige Amerikaner wollen wissen, wo die Warnhinweise genau stehen, damit sie sie fotografieren können.

Mehr als vier Jahrzehnte lang war das Gebiet den Militärs vorbehalten. Doch zuletzt strömten immer mehr Menschen zu dieser Stelle an den Jordan. Damit die Touristen künftig nicht von jordanischer Seite in den Fluss steigen, hat Israel vor sieben Jahren die Taufstelle für die Pilger geöffnet - trotz der Minengefahr. Fünf Jahre später, im Mai 2016, haben das israelische Verteidigungsministerium, die palästinensische Autonomiebehörde und die Kirchen endlich einen Beschluss aus der Taufe gehoben, wonach die Minen geräumt werden sollen. Doch es gingen weitere Monate ins Land, bis in dieser Woche endlich Taten folgten. Mit der Beseitigung der Minen sei nun begonnen worden, gab die zuständige israelische Behörde INMAA soeben bekannt. Wie lange die Räumungen dauern werden? Die Antwort darauf ist offen.

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