Süddeutsche Zeitung

Islamist unterzieht sich Schönheits-OP:Eitler als Allah erlaubt

Seine Eitelkeit hat einen ägyptischen Fundamentalisten die Karriere gekostet: Der Abgeordnete Anwar al-Belkimy ließ sich seine zu groß geratene Nase operieren und musste sein Amt abgeben.

Tomas Avenarius, Kairo

Islamische Ultra-Fundamentalisten sind eigentlich keine Alltagsästheten: Die Männer tragen ungestutzte Bärte im Gesicht, und von ihren Frauen ist wenig zu sehen unter den sackartigen Schleiern, Burkas oder Tschadors. Ganz anders Anwar al-Belkimy: Der ägyptische Abgeordnete der sittenstrengen Nur-Partei hat einen Hang zur eigenen Schönheit. Der hat ihn jetzt den Sitz im Parlament und seine politische Karriere gekostet, wenn nicht sogar das Himmelreich.

Mit Verbänden und Blutergüssen im Gesicht hatte der Parlamentarier jüngst im Fernsehen erzählt, er sei Opfer eines brutalen Raubüberfalls geworden. Die Verbrecher hätten ihn zusammengeschlagen, sein Auto und sein Geld gestohlen. Während eine ägyptische Zeitung bereits meldete, die Täter seien gefasst worden, widersprachen Ärzte eines Kairoer Krankenhauses der Leidensgeschichte des Politikers öffentlich: Der eitle Fundamentalist habe sich in ihrer Klinik seine auffallend große Nase korrigieren lassen.

Belkimys Partei Nur (Licht), deren Programm eine streng islamische Lebensführung propagiert, reagierte ägyptischen Medienberichten zufolge schnell: Der Abgeordnete musste sein Mandat niederlegen, die Partei verlassen und sich "bei den Ärzten, der Partei, den Medien, der Polizei und beim gesamten ägyptischen Volk" für seine Lüge entschuldigen.

"Der Körper gehört Gott"

Die Islamisten-Partei war unter starkem Zugzwang: Schönheitschirurgie ist sehr umstritten im Islam. In Beirut oder Teheran hat zwar kaum eine junge Frau mit etwas Geld in der Tasche noch die Nase im Gesicht, mit der sie auf die Welt gekommen ist. Was unter Chirurgen als "Rhinoplastik" bekannt ist - die Korrektur einer Höcker- oder Sattelnase - hat im Nahen Osten ebenso Konjunktur wie die Vergrößerung anderer Körperteile. Doch die Schönheitschirurgie ist nach Meinung vieler islamischer Theologen ausdrücklich verboten, wenn sie medizinisch nicht unbedingt nötig ist.

All das hätte der fromme Kairoer Abgeordnete Belkimy im Internet nachsehen können: Auf der Seite "Islamqa" etwa steht, was Theologen sagen: "Materialisten und Freiheits-Apologeten denken, dass der Mensch frei sei und mit seinem Körper anstellen könne, was er will. Das ist falsch; der Körper gehört Gott." Wer aus Eitelkeit an sich herum operieren lasse, so die Islam-Experten, stelle im Wunsch nach eigener Schönheit Allahs einzigartige Schöpfung in Frage. Und zu der gehört fraglos auch die Höcker- oder Sattelnase eines Parlamentariers.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1301958
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 07.03.2012/soli
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.