Irland:Massengrab mit 800 Kinderleichen entdeckt

Irland: Die Historikerin Corless ist sich sicher, dass unter dem Gelände des Heimes ein Massengrab mit fast 800 Kinderleichen liegt.

Die Historikerin Corless ist sich sicher, dass unter dem Gelände des Heimes ein Massengrab mit fast 800 Kinderleichen liegt.

(Foto: AFP)

Es ist eine Geschichte, die Irland am liebsten vergessen würde: In einer verlassenen Klärgrube hat eine Historikerin die sterblichen Überreste von Hunderten kleinen Kindern entdeckt. Sie sollen vor Jahrzehnten in einem Heim zu Tode gekommen sein.

Die Worte, mit denen der Autor der Washington Post die Gegend um die Stadt Tuam im Westen von Irland beschreibt, sind fast poetisch: "Einzelne Burgruinen streuen Pfefferkörner in die immergrüne Landschaft", heißt es am Anfang des Textes. Wenn man auf Google Street View Bilder anschaut, sieht man viele schöne, flache Steinhäuser und eine imposante Kathedrale aus dem 14. Jahrhundert. Gut vorstellbar, dass Tuam Kulisse für einen romantischen Heimatfilm sein könnte.

Allerdings könnte Tuam auch die Kulisse für einen Horrorfilm sein. Jedenfalls dann, wenn man liest, was die Recherchen von Catherine Corless ergeben haben, einer Wissenschaftlerin, die an einem historischen Jahrbuch für Tuam arbeitet.

Hinter einer etwa zwei Meter hohen Steinmauer hat Corless ein Massengrab entdeckt. In einer alten, nicht mehr benutzten Klärgrube liegen die Leichen von 800 kleinen Kindern. Alle sterblichen Überreste sind dort einfach übereinandergeschichtet, völlig anonym, ein Grabstein findet sich nirgends.

Heim mit zweifelhaftem Ruf

Historikerin Corless ist sich sicher, dass die Kinder in einem nahegelegenen Heim starben, wo zwischen 1925 und 1961 Tausende Frauen lebten, die nichteheliche Kinder geboren hatten. Das Heim, von den Einheimischen meist nur "The Home" genannt, wurde von Nonnen geleitet und hatte einen zweifelhaften Ruf. Die Kindersterblichkeit soll immens hoch gewesen sein, viele kleine Mädchen und Jungen kamen durch Krankheiten wie Masern und Tuberkulose ums Leben, oder sie fanden infolge von Vernachlässigung oder Unterernährung den Tod.

In der Stadt wurde das Schicksal der Heimkinder lange totgeschwiegen. Im katholisch geprägten Irland wurden unehelich geborene Kinder und ihre Mütter früher ausgegrenzt. Viele Bewohner von Tuam würden die unrühmliche Geschichte von "The Home" am liebsten vergessen und reden nicht gern darüber.

Corless hat deshalb auch Melderegister und andere Daten aus dem Standesamt durchforstet. "Wenn man sich die Zahlen ansieht, dann starben jede Woche zwei Babys in dem Heim", sagt die Historikerin. Sie versuche jetzt herauszufinden, wie die Nonnen in dem Heim "das nur tun konnten" und warum sie die Leichen einfach in die Klärgrube geworfen haben, anstatt sie in Würde zu bestatten.

Wie die irische Ausgabe der Daily Mail schreibt, wurde das Massengrab eigentlich bereits in den Siebzigerjahren von zwei spielenden Jugendlichen entdeckt. "Der Priester kam vorbei und segnete die Grabstätte", so erinnert sich einer der beiden heute.

Doch offenbar wurde das Schicksal der toten Kinder damals nicht untersucht. Erst jetzt, auf Corless' Betreiben, hat die Polizei Ermittlungen aufgenommen. Die sterblichen Überreste werden wohl bald exhumiert und gerichtsmedizinisch untersucht. Vielleicht wird dann klarer, was sich über all die Jahrzehnte in "The Home" zugetragen hat.

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