Inzestverbrechen in Amstetten:Österreich kämpft um seinen Ruf

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Österreich will nach dem Inzestverbrechen von Amstetten eine Imagekampagne starten. Sogar Bundeskanzler Gusenbauer und Präsident Fischer bemühen sich um Schadensbegrenzung - denn nicht nur Amstetten fürchtet um seinen Ruf.

Nach tagelanger und weltweiter Berichterstattung über den Inzestfall von Amstetten sorgt sich die Alpenrepublik um ihr Image im Ausland. "Nicht Österreich ist der Täter, sondern das ist ein unfassbarer Kriminalfall - aber ein Einzelfall", sagte Bundeskanzler Alfred Gusenbauer vor Journalisten. Die Regierung plane eine Imagekampagne.

Ein Demonstrant vor dem Haus in Amstetten: Ein typisch österreichisches Verbrechen? (Foto: Foto: AP)

"Wir werden nicht zulassen, dass das ganze Land in Geiselhaft eines einzelnen Mannes ist", sagte Gusenbauer über Josef F. Es würden Berater hinzugezogen, um das Ansehen Österreichs wiederherzustellen. Nähere Angaben dazu machte Gusenbauer nicht.

Auch der österreichische Bundespräsident Heinz Fischer hat die Alpenrepublik gegen zunehmende Kritik in Schutz genommen. "Es ist sicher nichts Abgründig-Österreichisches an diesem Fall", sagte Fischer der Kleinen Zeitung in Graz vom Mittwoch.

Es genüge ein Blick auf die weltweiten Horror-Schlagzeilen der vergangenen Jahre, um festzustellen, dass Gewalt ein universales Phänomen ist: "Das Monströse, zu dem der Mensch fähig ist, offenbart sich überall," meinte Fischer. Internationale Medien hatten die jüngsten Entführungsfälle und die späte Aufklärung - zum Beispiel im Fall Natascha Kampusch - in Zusammenhang mit einer als "typisch" angesehenen österreichischen Lebensart gebracht.

Ein Ort im Ausnahmezustand

In Amstetten herrscht unterdessen weiterhin der Ausnahmezustand. Ein für Mittwoch geplantes Maifest wurde wegen des Inzest-Skandals abgesagt. Die Stadt sei "zutiefst betroffen" von dem Verbrechen, sagte Hermann Gruber, der Sprecher des Bürgermeisters Herbert Katzengruber. Daher sollten auch am Donnerstag, dem 1. Mai, keine Mai-Feiern stattfinden.

Zugleich äußerte sich der Sprecher zuversichtlich, dass die Stadt dem entstandenen "Imageschaden" entgegenwirken könne. Amstetten sei ein Ort mit "hoher Lebensqualität. Wir werden diesen Weg weitergehen", sagte Gruber. So solle die Zusammenarbeit mit Vereinen vertieft werden. Um 16 Uhr wollten die Behörden erneut eine Pressekonferenz zu dem Inzest-Fall abhalten.

Ein "freundlicher Mann"

Der Fall ist bizarr. Der 73-jährige Josef F. hat im Polizeiverhör gestanden, dass er die eigene Tochter als Gefangene in seinen Keller sperrte und mit ihr sieben Kinder zeugte. Drei der Kinder im Alter von 19, 18 und fünf Jahren zwang der Rentner, mit der heute 42-jährigen Elisabeth in den fensterlosen Räumen zu leben, die er unter seinem Haus eingerichtet hatte. Diese Kinder hatten bis vor wenigen Tagen den Keller nicht verlassen dürfen oder jemals Tageslicht gesehen. Die Mutter war 24 Jahre eingekerkert.

Vizekanzler Wilhelm Molterer bot den Opfern des Inzestverbrechens Unterstützung an. "Es ist unvorstellbar, was diesen Menschen angetan wurde", sagte Molterer. "Sie mussten einen Teil ihres Lebens in unmenschlicher Art verbringen."

Von diesen Qualen scheinen die Nachbarn nichts mitbekommen zu haben. Josef F. hat sich trotz seines Doppellebens nichts anmerken lassen - auch nicht, als der Fall Natascha Kampusch bekannt wurde, der Ähnlichkeiten mit seinem Verbrechen aufwies. Josef F. sei "oft vorbeigekommen", sagte Günther Pramreiter, der in der Nachbarschaft der Familie F. in Amstetten eine Bäckerei führt. "Wir haben meistens ein bisschen geplaudert über das Wetter oder was in der Zeitung stand", berichtete der 38-Jährige. "Ich erinnere mich an den Tag, als die Geschichte mit Natascha Kampusch auf der Titelseite stand und er gesagt hat, dass er das ziemlich schockierend fand."

Der Bäcker hat Josef F. als "freundlichen Mann" wahrgenommen. F. sei auch oft mit den Kindern, die bei ihm in der Wohnung lebten, in der Bäckerei gewesen. Auch F.s Ehefrau Rosemarie sei viel mit den Kindern unterwegs gewesen und habe sie zum Musikunterricht oder zum Sportplatz gebracht.

Einmal, so legen neue Erkenntnisse der Ermittler nahe, wurde das Verlies beinahe entdeckt. Im Keller von Josef F.s Haus habe zuletzt vor neun Jahren eine Brandschutzprüfung stattgefunden, sagte der Sprecher von Amstettens Bürgermeister am Mittwoch.

Die Untersuchung eines Heizkessels im Jahr 1999 war demnach jedoch in einem "eigenen, abgeschlossenen" Heizraum außerhalb des geheimen Verstecks vorgenommen worden. Der Zugang zu dem Verlies von Elisabeth F. und drei ihrer sieben vom eigenen Vater gezeugten Kinder sei damals mit einem Regal verstellt gewesen, sagte der Sprecher weiter.

Über den Verdächtigen Josef F. wurde die Untersuchungshaft verhängt. Seine Tochter und fünf ihrer Kinder werden von der Öffentlichkeit abgeschirmt in einem Krankenhaus betreut. Eine weitere, 19-jährige Tochter aus der Beziehung, die Josef F. mit Elisabeth erzwang, ist lebensgefährlich erkrankt und wird auf der Intensivstation versorgt.

© Reuters/AFP/dpa/grc/ihe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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