Sydney:Die Spiele der Unbesiegbaren

Sydney: Gegründet hat die "Invictus Games" der britische Prinz Harry im Jahr 2014 nach dem amerikanischem Vorbild der "US Warrior Games".

Gegründet hat die "Invictus Games" der britische Prinz Harry im Jahr 2014 nach dem amerikanischem Vorbild der "US Warrior Games".

(Foto: Chris Jackson/AP)
  • Die "Invictus Games", eine Sportveranstaltung für Kriegsversehrte, finden dieses Jahr in Sydney statt. Die teilnehmenden Nationen verfolgen unterschiedliche Ziele.
  • Der deutsche Mannschaftskapitän Stefan Huss tritt gleich in drei Disziplinen an.
  • Der Initiator der Spiele, Prinz Harry, ehrt die Sportler bei der Schlussveranstaltung, die er mit seiner Ehefrau Meghan besucht.

Von Leon Wohlleben

Die "Invictus-Games" gelten als eine Art Olympische Spiele für körperlich und geistig versehrte Soldaten. Das ist nicht ganz falsch. Dennoch ist bei den Invictus Games vieles anders als bei Olympischen Spielen. Bei der Eröffnungs- und Schlussfeier gibt es kein Feuerwerk - die Kriegstraumatisierten könnten darunter leiden. Die Invictus-Sportler warten nicht in Katakomben in den Stadien auf ihren Auftritt - zu eng und dunkel. Gegrilltes für die Zuschauer gibt es auch nicht - der Geruch von verbranntem Fleisch könnte bei vielen Erinnerungen an den Krieg auslösen.

Wie präsent der Kampfeinsatz in den Köpfen der Athleten noch ist, konnte man am Dienstag beobachten, als der britische Rollstuhl-Tennisspieler Paul Guest einen Zusammenbruch erlitt, weil ein Hubschrauber über den Court flog. Worauf der vielleicht rührendste Moment der Sportveranstaltung folgte, als sein niederländischer Gegenspieler Edwin Vermetten den Arm um ihn legte, ihn tröstete, damit er weiterspielen konnte. Denn darum geht es bei den Invictus-Spielen: Mit anderen Versehrten aus aller Welt zusammenzukommen, um die eigene Widerstandskraft und das Überleben zu feiern.

Stefan Huss und seine Mitstreiterin Steffi Matz halten das deutsche Maskottchen, den "Invictusadler", am Rande des Liegendrad-Wettbewerbs.

Stefan Huss, 37, und seine Mitstreiterin Steffi Matz halten das deutsche Maskottchen, den "Invictus Adler", am Rande des Liegendrad-Wettbewerbs.

(Foto: privat)

Posttraumatische Belastungsstörungen und Versagensängste

Der 37-jährige Deutsche Stefan Huss ist schon zum zweiten Mal zu den "Invictus Games", den Spielen für die Unbesiegbaren, eingeladen worden. Er ist der deutsche Mannschaftskapitän und trat gleich in drei Disziplinen an: Diskus, Rennrad und Sitzvolleyball.

Seit einem Afghanistan-Einsatz im Jahr 2013 leidet Huss an einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS). An dem Tag, der ihn nachhaltig traumatisiert hat, sicherte er die deutsche Botschaft in Kabul - genauer beschreibt er nicht, was er erlebt und gesehen hat. "Ich leide unter Schlaflosigkeit. Dann wache ich auf und bin gedanklich wieder mitten im Einsatz", sagt der gebürtige Augsburger. Wie viele andere Menschen, die unter PTBS leiden, plagen ihn Versagensängste. "Mich begleitet das, seitdem ich aus dem Einsatz zurückgekommen bin. Es wird einfach immer ein Teil meines Lebens bleiben."

Eine Medaille hat Stefan Huss bei den Invictus Spielen nicht gewonnen. Nicht schlimm. Dabeisein ist alles, so das olympische Credo der deutschen Delegation. Die versteht die Veranstaltung hauptsächlich als eine therapeutische Reise für die Bundeswehrsoldaten, die wie Stefan Huss bleibende Schäden aus dem Kriegseinsatz davongetragen haben - seien sie nun psychisch oder körperlich. Die Stimmung im Team ist ausgelassen: "Die positiven Erlebnisse sind hier bei den Spielen einfach noch intensiver." Wenn er in Deutschland mal wieder schlechte Tage hat, werden die Momente aus Australien umso wertvoller. "Daraus schöpfen wir Motivation. Dann gelingt es auch leichter, wieder Fuß zu fassen."

Deutsche spielen zur Regeneration, Amerikaner für den Sieg

Alle deutschen Teilnehmer gehören zum Gruppenprogramm "Sporttherapie", mit dem die Bundeswehr Versehrte finanziell unterstützt und versucht, sie mental aufzubauen. Die Athleten qualifizieren sich für die "Invictus Games" nicht über ihre sportliche Leistung. Stattdessen setzen sie sich im Gruppenprogramm individuelle Ziele. Gelingt es ihnen, diese zu erreichen, dürfen sie mit zu den Spielen fahren.

Allerdings haben die Spiele für jede Nation unterschiedliche Bedeutungen. Die Amerikaner zum Beispiel gehen den Wettbewerb deutlich leistungsorientierter an. Für sie ist er eine Art Leistungsschau, bei der sie ihre Athleten für die Paralympischen Spiele auswählen. Nicht wenige sehen das kritisch. Der deutsche Teamsprecher Sebastian Bangert sagt, dadurch gehe der Geist verloren. Stefan Huss sagt: "Die Amerikaner beneiden uns um unsere finanzielle Absicherung." Denn während es bei den Deutschen vor allem um Regeneration gehe, geht es bei den Amerikanern vorrangig ums Gewinnen. Wer keine Leistung bringt, dem droht der Ausschluss vom System.

Gegründet hat die einwöchige Veranstaltung der britische Prinz Harry im Jahr 2014 nach dem amerikanischem Vorbild der "US Warrior Games". Die Spiele sollen, so der Prinz, "die Bedeutung des Sports bei der Gesundung demonstrieren, die Rehabilitation unterstützen und das Leben jenseits von Behinderung zeigen." Auch dieses Jahr ließ es sich Harry nicht nehmen, mit seiner Frau Meghan bei der Abschlussveranstaltung Veteranen zu ehren. So zeichnete er auch den Tennisspieler Edwin Vermetten aus, der den traumatisierten Briten Paul Guest so rührend beruhigte.

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