Alaska:Tragische Magie der Wildnis

Lesezeit: 2 Min.

Schauspieler Emile Hirsch spielt im Kinofilm "Into the Wild" den Aussteiger Christopher McCandless. (Foto: Tobis Film/dpa)

Der aus "Into the Wild" bekannte Bus im Denali-Nationalpark lockt viele Abenteurer in die totale Einsamkeit. Nun ist wieder eine Touristin gestorben.

Von Titus Arnu

Die Sehnsucht nach der totalen Einsamkeit kann manchmal tragisch enden. Das musste auch der junge Aussteiger Christopher McCandless erfahren, der sich in den Kopf gesetzt hatte, sein Glück in der Wildnis Alaskas zu suchen. Er wanderte 1992 alleine in den Denali-Nationalpark und verbrachte ein paar Monate in einem verlassenen alten Linienbus des Fairbanks City Transit System. Sein Survival-Handbuch half ihm nicht viel. Der Versuch, Elchfleisch zu räuchern, misslang. Er verwechselte giftige Schoten mit essbaren Knollen. Die einsetzende Schneeschmelze schnitt seinen Rückweg über den Teklanika River ab. McCandless starb einsam in seinem "Magic Bus".

Jon Krakauers Buch "Into the Wild", in dem er die authentische Geschichte des Aussteigers schildert, wurde ein Bestseller, die gleichnamige Verfilmung erreichte weltweit ein Millionenpublikum. Der "Magic Bus" ist zum Wallfahrtsort für Outdoor-Fans und Abenteuersuchende geworden, das verrostete Skelett des Linienbusses steht immer noch mitten in der Wildnis am Teklanika River. Der Weg dorthin führt über den Stampede Trail, einen gut 30 Kilometer langen Pfad. Die Gefahren in der Gegend sind immer noch die gleichen, denen sich Christopher McCandless damals aussetzte: Zweimal muss man reißende Flüsse überqueren, es kann zu extremen Wetterumschwüngen kommen, außerdem gibt es Bären und Wölfe. Immer wieder sterben Touristen auf dem Weg zum "Magic Bus".

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Diese Woche kam eine 24 Jahre alte Frau aus Weißrussland ums Leben, als sie zusammen mit ihrem 25-jährigen Mann den Originalschauplatz von "Into the Wild" besuchen wollte. Veranika N. und Piotr M. wollten den Teklanika River überqueren, jenen Fluss, der Christopher McCandless den Rückweg abschnitt. Die junge Frau verlor den Halt, wurde von der Strömung weggerissen und ertrank. Ihr Mann schaffte es zurück ans Ufer und konnte den Leichnam seiner Frau stromabwärts bergen. Er kontaktierte die Alaska State Troopers und wurde gerettet.

Der Gebirgsfluss kann unerfahrenen Wanderern schnell zum Verhängnis werden. Er ist sehr kalt und fließt schnell, oft wird er unterschätzt, auch wenn das Wasser nur hüfthoch ist. Um Menschen die Überquerung zu erleichtern, ist ein Seil gespannt, aber das ist keine Überlebensgarantie - offenbar rutschte die Weißrussin mit der Hand vom Seil ab. 2010 starb eine junge Frau aus der Schweiz an derselben Stelle unter ähnlichen Umständen. Warnungen von Einheimischen und entsprechende Berichte in Outdoor-Blogs schrecken die Pilger nicht ab. Der Leiter der lokalen Feuerwehr sagte dem Outside-Magazin, er müsse pro Saison ein Dutzend Personen auf dem Weg zum "Magic Bus" retten.

Der Kolumnist einer Lokalzeitung in Alaska ließ sich zu einem radikalen Vorschlag hinreißen: "Zwei Kanister Benzin und ein Streichholz" würden das Problem lösen. Wenn der Bus nicht mehr da wäre, würden auch die Pilger verschwinden, hoffen die Einheimischen. Doch zum einen wäre die Vernichtung des Wracks mitten in der Wildnis dann doch ein riesiger Aufwand, und zum anderen scheint die magische Anziehungskraft des Ortes auch 27 Jahre nach McCandless' Tod ungebrochen zu sein. Sein Idealismus und seine Abenteuerlust ziehen auch Personen an, die einem ähnlichen Trugschluss aufsitzen wie McCandless, der in sein Tagebuch schrieb: "Es ist nicht wichtig, stark zu sein, sondern sich stark zu fühlen!"

© SZ vom 02.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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