Interview mit einem Ernährungswissenschaftler:"Gut ist, was bekommt"

Essen macht nicht schön, schlank und gesund - Essen macht satt. Einer, der es wissen muss, warnt vor allem vor Billigprodukten.

Interview: Cathrin Kahlweit

Der Lebensmittelchemiker und Ernährungswissenschaftler Udo Pollmer kritisiert die Zunahme von Fertigprodukten auch in der gehobenen Küche.

SZ: Fast-Food und Dosensuppen nehmen zu. Ernähren wir uns falsch? Pollmer: Wenn unsere Vorstellung von gesunder Ernährung stimmen würde, würden die Briten das 45. Lebensjahr nicht erreichen. Nimmt man unsere heutigen Maßstäbe, dann wären die meisten Völker innerhalb weniger Jahre ausgestorben. Essen macht nicht schön, gesund oder schlank, Essen macht satt.

SZ: Was ist dann gutes Essen? Pollmer: Wichtig ist, ob etwas bekömmlich ist. Mich wundert es nicht, wenn die Kundschaft der französischen Küche davonläuft: Ich habe noch nie so schlecht gegessen wie in Paris. Man hat dort vom guten Ruf gelebt, aber vielerorts nicht danach gekocht. Diese Entwicklung gibt es auch in Deutschland: Immer mehr Restaurants wärmen nur vorproduzierte Fertiggerichte auf.

SZ: Das muss ja nicht schlimm sein, wenn die Zutaten gesund sind. Pollmer: Aber der Preiskampf führt dazu, dass das Billigste genommen wird. Dadurch ändert sich die physiologische Wirkung: Bei den Rohstoffen wurde gespart, sie wurden durch Aromen und Geschmacksverstärker ersetzt, bei der Zubereitung auf Schnellverfahren zurückgegriffen. Solche Gerichte wirken im Körper oft anders als die Originale.

SZ: Nur das Altbewährte ist das Gute? Pollmer: Dass die vielen Küchen der Welt alle ihre festen Rezepturen, tradierte Zubereitungen für ihre Speisen haben, hängt damit zusammen, dass auf diese Weise die physiologischen Bedürfnisse am besten befriedigt werden. Die nationalen Küchen bieten eine Kost, die von Millionen von Mägen über Jahrhunderte geprüft und für gut befunden wurde.

SZ: Bevorzugen die Europäer aus Gründen der Bekömmlichkeit die globalisierte asiatische Küche, statt in ein bürgerliches Restaurant zu gehen? Pollmer: In vielen ausländischen Gastronomiebetrieben arbeitet aus Kostengründen die ganze Familie mit. Das Ergebnis ist handwerkliche Qualität.

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