Ein Anruf bei...:Gerome Meyer

Ein Anruf bei...: "Seitdem hab ich immer so einen Glücksmoment": Berlins Club-Klempner Gerome Meyer stieg schon als Kind gern in den Gully.

"Seitdem hab ich immer so einen Glücksmoment": Berlins Club-Klempner Gerome Meyer stieg schon als Kind gern in den Gully.

(Foto: privat)

Er kletterte schon als Kind gerne in Gullys. Die Spezialität des Berliner Klempners: Verstopfte Disco-Toiletten zu reparieren, während andere weiterfeiern.

Interview von Hannes Vollmuth

Sie rufen ihn nachts, wenn die Tanzfläche voll ist, aber die Toilette verstopft. Dann rückt Gerome Meyer aus, Klempner und spezialisiert auf die Club- und Diskotheken-Szene Berlins. Für eine Stunde ist Meyer, 31, der Held der Nacht.

SZ: Sie müssen die Berliner Clubszene ziemlich gut kennen, Herr Meyer.

Gerome Meyer: Richtig. Aber nicht vom Feiern. Die Clubs rufen mich an, wenn die Toiletten verstopft sind. Dann komme ich, bau' die Schüssel ab und fahre mit der Spirale bis zu dem Punkt, an dem die Verstopfung sitzt. Wenn die Toilette voll steht mit Wasser, muss ich erst abschöpfen.

Man nennt Sie den Club-Klempner.

Ich rücke oft sechsmal pro Wochenende aus. Liegt aber auch daran, dass die meisten Berliner Clubs vorher Lagerhallen waren, die sind nicht ausgelegt für Toiletten. Das Material bleibt irgendwo im Rohr hängen, man muss sich das vorstellen wie ein Gebirge, das da entsteht. Und die Club-Gäste schmeißen natürlich alles Mögliche in die Toilette.

Erzählen Sie doch mal.

Manche stellen Flaschen und Gläser in die Kloschüssel, warum auch immer. Oder sie werfen Hosen rein, T-Shirts, Unterwäsche. Manchmal hol' ich auch einen Geldbeutel raus. Aber das größte Problem sind die Frauentoiletten.

Die Frauentoiletten?

Bei den Männern riecht's nicht gut. Aber Frauen benutzen die Toilette wie einen Mülleimer. Die schmeißen alles rein: Handtuchpapier aus dem Vorraum, das sich nicht löst, feuchte Tücher, Intimtextilien. Und dann ist das Rohr zu. Da hilft nur noch die Spirale.

Muss ein komisches Gefühl sein: Alle feiern, und Sie reparieren das Klo.

Man fühlt sich wie zur falschen Zeit am falschen Ort. Ich bin oft von Samstagabend bis Sonntagfrüh unterwegs. Dann sind die Gäste richtig volle und kriegen nichts mehr mit. Da komm' ich mit meinen Maschinen gar nicht durch die Menge.

Wie wird man überhaupt Club-Klempner?

Ich hab' früher in den Clubs "Cookies" und "Casino" ein paar Verstopfungen in den Urinalen behoben. Und dann haben die mich gefragt, ob ich auch größere Sachen wegmachen kann. Und wie das in Berlin so ist: Wenn man irgendwo was macht und das ist gut, dann spricht sich das rum.

Wie oft sind Sie denn im Einsatz?

Früher nur an Wochenenden. Aber seit ein paar Jahren bin ich fast jeden Tag in irgendeinem Club.

Es gibt eine Kulturtheorie, die besagt, dass Ekel und Lust eng beieinander liegen. Haben Sie das schon mal bei den Gästen bemerkt?

Die meisten halten Abstand, wenn ich mit meinen Maschinen komme. Aber manchmal gibt's auch welche, die interessiert das. Die stehen um mich herum und fragen, was ich jetzt anstelle mit der Toilette.

Macht das Spaß: Club-Klempner sein?

Wenn die Toilette wieder geht, macht mich das schon glücklich. Mein Vater war Installateur und hat mich mit acht Jahren das erste Mal zu einer Verstopfung mitgenommen. Und mit zehn Jahren bin ich für 1,50 Mark in den Gully gestiegen, ich war klein und hab gut reingepasst. Seitdem hab ich immer so einen Glücksmoment, wenn Wasser abläuft und die Rohre frei werden.

Pardon: Sie haben Glücksmomente bei der Arbeit?

Abfließendes Wasser hat mich schon immer fasziniert. Außerdem gibt's immer ein paar Gäste, die sich bedanken, mir Getränke holen wollen oder Zigaretten anbieten. Für die ist es fast so, als würde die Toilette zu Hause nicht funktionieren.

Irgendeine Strategie, um sich an den Ekel-Geruch zu gewöhnen?

Die Strategie ist, mich immer ein bisschen dem auszusetzen, was mir zu schaffen macht. Der Ekel wird zur Routine.

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