Internationale Klokultur:Frischer Wind fürs stille Örtchen

In Peking beginnt der Welt-Toiletten-Gipfel, das passt besonders gut, weil man in Chinas Hauptstadt ohnehin an dem Thema arbeitet.

Von Kai Strittmatter

Peking - Vom "Pflichttermin des Jahres" spricht der Veranstalter, das ist die Welt-Toiletten-Organisation mit Sitz in Singapur. Einen "Meilenstein" nennt die Konferenz der Ausrichter, die Tourismusbehörde in Peking. Am Mittwoch beginnt in Chinas Hauptstadt der Welt-Toiletten-Gipfel, und es haben sich 220 Teilnehmer von Nepal bis Deutschland angemeldet.

Internationale Klokultur: Der Phantasie bei der Gestaltung von Toiletten sind in Peking keine Grenzen gesetzt; mit Blick auf die Olympischen Spiele in China 2008, gibt es nun sogar Vier-Sterne-Etablissements.

Der Phantasie bei der Gestaltung von Toiletten sind in Peking keine Grenzen gesetzt; mit Blick auf die Olympischen Spiele in China 2008, gibt es nun sogar Vier-Sterne-Etablissements.

(Foto: Foto: Reuters)

Sie kommen, um zu debattieren und zu lauschen: Der Vertreter der taiwanischen Toilettenvereinigung spricht zum Thema "Das humane Klo", der Australier darüber, "Wie man das Verbrechen aus Bedürfnisanstalten hinaus designt" und der Malaysier über "Verschiedene Toiletten für verschiedene Kulturen".

Es ist dies schon der vierte Welt-Toiletten-Gipfel, doch selten hat einer mehr Aufmerksamkeit gefunden, ein Verdienst, das dem Austragungsort gebührt: China, ein Land, dessen Toiletten weltweiten Ruch genießen. Oder darf man bald sagen "genossen"?

Die Chinesen nämlich brennen darauf, "beispiellose Errungenschaften" vorzuführen, wie die Pekinger Tourismus-Behörde stolz vermeldet. "Toiletten sind ein Symbol der geistigen Zivilisation eines Landes", sagt Fang Zehua, Sprecher der Behörde: "Wir wollen der Welt nun zeigen, wie wir vor den Olympischen Spielen 2008 die Erneuerung unserer Klokultur voran getrieben und dabei den Menschen zum Maßstab genommen haben."

Frischer Wind fürs stille Örtchen

"Den Menschen zum Maßstab nehmen", das ist allerdings ein neuer Wind, der durch Pekings öffentliche Toiletten weht: Jene Anstalten, über die man vor noch gar nicht langer Zeit eigentlich nur den Mantel des Schweigens breiten wollte - wären da nicht die spitzen Schreie vor allem der ausländischen Besucherinnen gewesen, die den Mantel sofort wieder zerfetzten.

Aber nicht nur die Ausländer litten. Es ist noch keine drei Jahre her, da beschrieb dieser Zeitung gegenüber der Beamte Ma Kangding von der Stadtregierung den Toilettengang eines Alt-Pekingers mit den vier Worten "heulen" (des beißenden Gestanks wegen), "hüpfen" (im Slalom zwischen den fehlgesetzten Lachen und Häuflein), "kreischen" (wenn einer den Fehler beging, unter sich zu blicken) und "kichern" (wenn man zu guter Letzt über die nur hüfthohe Brüstung hinweg mit dem Hocknachbarn den neuesten Tratsch austauschte).

Da war das, was sie hier kampfeslustig "Toilettenrevolution" nannten, schon in vollem Gange und das Thema bald allerseits diskutiert. Der Renner des vergangenen Sommers war ein Theaterstück namens "Toilette", das dem überraschten Publikum in der Auftaktszene sechs Latrinenhocker mit herabgelassenen Hosen inmitten angeregter Konversation präsentierte.

Heute hat der Beamte Fang die Courage, zu verkünden: "Mission erfüllt!" Zwei von drei Pekingern haben nun ihr eigenes WC zuhause, noch vor zehn Jahren war es nur jeder Fünfte. Und die Sehenswürdigkeiten der Stadt gebieten nun über "Vier-Sterne-Toiletten", geschlagene 88 Stück davon, Fernsehraum, Klimaanlage und Ölgemälde über der Schüssel inklusive. Mehr als 600 weitere Anstalten teilen sich ein bis drei Sterne. Das macht zusammen zwar erst 747 luxussanierte von gut 200 Millionen Aborten zumeist noch alten Stils landesweit, aber immerhin.

Schon maulen einige Pekinger: bequeme Klos schön und gut, ob man es aber mit Marmor-Wänden und Kabel-TV-Anschluss nicht etwas übertrieben habe. "Schließlich handelt es sich nicht um Statussymbole, sondern um Toiletten", murrte das Intellektuellenblatt Guangming-Zeitung: "Der Ruf der Natur sollte hier im Vordergrund stehen, nicht der Griff nach den Sternen."

Tourismus-Mann Fang verteidigt die sanitäre Prachtentfaltung: "Eine Toilette muss sich doch harmonisch in die Sehenswürdigkeit einfügen", sagt er. "Im Kaiserpalast darf schon ein edles Klo stehen." Außerdem hat Fang den Blick aufs globale Ganze: "So finden wir den Anschluss an die internationale Gemeinschaft".

Ein Unterschied bleibt: Der Westen sitzt, der Osten hockt. "So ist es einfach hygienischer", sagt eine Pekinger Freundin und verrät noch ein Geheimnis: "Außerdem werden so die Därme besser gereinigt".

In Pekings neuen Sterneklos werden beide Möglichkeiten angeboten. "Die Hardware haben wir nun", sagt Tourismussprecher Fang Zehua. "Nun wollen wir auf dem Gipfel vor allem Management-Ideen aufsaugen. Die Wartung ist noch ein Problem - wo doch die Nutzungsrate bei uns so unglaublich hoch ist." Und wie nimmt er selbst am liebsten Platz? "Ach wissen Sie", sagt Herr Fang: "Wenn's sauber ist und gut gemanagt, darf es ruhig auch mal ein Sitzklo sein."

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