Insolvenzverfahren:Becker versucht es mit Tennisballdiplomatie

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Neuerdings in diplomatischem Dienst unterwegs: Tennislegende Boris Becker (Foto: REUTERS)

Boris Becker ist seit kurzem Attaché in der EU-Vertretung der Zentralafrikanischen Republik, dem ärmsten Land der Welt. Das klingt ein bisschen seltsam - ist aber womöglich ein Versuch, die Schulden loszuwerden.

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Die Zentralafrikanische Republik ist das ärmste Land der Erde. Und auch eines der korruptesten. Der Staat mit gut viereinhalb Millionen Einwohnern hat keinen Zugang zum Meer, sondern ist von Nachbarländern umzingelt, die politisch ähnlich instabil sind. Wie viele Tennisplätze es in dem Mini-Land gibt, ist unklar, aber es muss welche geben, schließlich existiert ein nationaler Tennisverband mit Sitz in der Hauptstadt Bangui, die Fédération Centrafricaine de Tennis. Und immerhin hat das Land vor Kurzem das Interesse eines sehr bekannten und früher sehr erfolgreichen Tennisspielers geweckt: Seit 27. April ist Boris Becker offiziell Attaché für Sport, Kultur und Humanitäres bei der EU-Vertretung der Zentralafrikanischen Republik.

Der 50-Jährige, der heute unter anderem als Kommentator für Eurosport arbeitet, ist jetzt also Diplomat. Es heißt, der dreifache Wimbledonsieger erhalte sogar ein Büro in der Brüsseler Botschaft der Republik. Ansonsten lebt Becker, der kürzlich mit der Trennung von seiner Frau Lilly Schlagzeilen machte, in London. Boris Beckers Beziehung mit einem kleinen, durchaus als zwielichtig geltenden Staat erscheint kurios. Die Regierung dort kann sich darüber freuen, einen Prominenten als Fürsprecher gefunden zu haben - aber was hat Becker davon?

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Vielleicht sehr viel, wie nun klar wird: Der Posten könnte ihn von Schulden und Ärger mit Gläubigern befreien. Am Donnerstag reichten Anwälte Beckers am High Court in London einen Antrag ein, demzufolge Becker seit seiner Ernennung diplomatische Immunität genieße. Daher könne das Insolvenzverfahren gegen ihn nicht verlängert werden, ohne zuvor die Erlaubnis der Außenminister der Zentralafrikanischen Republik und von Großbritannien einzuholen, also von Charles-Armel Doubane - ein früherer Präsidentschaftskandidat - und Boris Johnson.

Becker wurde am 21. Juni vergangenen Jahres am High Court für insolvent erklärt. In Deutschland werden Bankrotteuren nach sechs Jahren ihre Schulden erlassen, in Großbritannien nach einem Jahr. Das macht den Staat attraktiv für Geschäftsleute, die vor einer Privatinsolvenz stehen. Am Donnerstag ist dieses Jahr vorbei, Becker wäre dann nach britischem Insolvenzrecht auch über die Landesgrenzen hinweg schuldenfrei, und sein Einkommen würde nicht mehr vom Insolvenzverwalter gepfändet. Die Frage ist allerdings: Was bedeutet das für die Forderungen von Beckers früherem Geschäftspartner Hans-Dieter Cleven, der in der Schweiz per Zivilklage 40 Millionen Schweizer Franken einzutreiben versucht? Becker bestreitet die Rechtmäßigkeit dieser und anderer Forderungen. Nach seiner Tenniskarriere versuchte er sich mit mäßigem Erfolg als Unternehmer und Investor. Wie hoch seine Schulden wirklich sind, ist unklar.

Dass Becker am kommenden Donnerstag tatsächlich aufatmen kann, ist aber noch aus einem weiteren Grund ungewiss. Das Verfahren kann über zwölf Monate hinaus verlängert werden, wenn der Insolvenzverwalter glaubt, dass der Pleitier unehrlich ist und bei der Suche nach Vermögenswerten nicht ausreichend mitgearbeitet hat. Darüber befindet ein Gericht. Beckers Insolvenzverwalter haben so einen Antrag beim High Court gestellt. Seine Anwälte haben geantwortet, dass ein Diplomat nicht ohne Weiteres vor Gericht belangt werden kann. In einem internen Schriftverkehr, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt, heißt es, eine Verlängerung um mehrere Monate stehe im Raum; darüber werde spätestens am Donnerstag entschieden. Es gebe noch Fragen zum Verbleib von Beckers Besitztümern. Das, was gefunden wurde, wird derzeit verkauft: Das britische Online-Auktionshaus Wyles Hardy & Co versteigert noch bis zum 28. Juni 81 persönliche Erinnerungsstücke - von Turnschuhen über teure Uhren bis zu Trophäen.

Becker hat für die Verteidigung seiner Diplomaten-Ehre einen prominenten Anwalt angeheuert: den Briten Ben Emmerson, der Richter bei UN-Tribunalen ist und Julian Assange vertreten hat, als der gegen seine Auslieferung nach Schweden kämpfte. Im Fall Becker beruft sich Emmerson auf das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen von 1961. Dieser völkerrechtliche Vertrag schützt Diplomaten vor Verfahren.

Becker erklärt in einer Stellungnahme, es sei "sowohl ungerechtfertigt als auch ungerecht" gewesen, ein Insolvenzverfahren gegen ihn zu eröffnen. Angestoßen wurde es von der Londoner Privatbank Arbuthnot Latham & Co, die von Becker die Rückzahlung eines Kredits über 3,5 Millionen Euro forderte. Becker teilt nun kräftig aus: "Eine Bande anonymer und unverantwortlicher Banker und Bürokraten hat mich in eine völlig unnötige Insolvenz gestoßen. Dadurch entstand mir und Menschen, die mir nahe stehen, ein Riesenschaden", lässt er mitteilen.

Dass er den Diplomaten-Job nur übernommen hat, um sich vor Gericht zu schützen, weist er von sich: "Ich bin ungeheuer stolz auf meine Berufung. Sport ist in Afrika unglaublich wichtig."

© SZ vom 16.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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