Stilkritik:Zappel-Deutsche

Stilkritik: So sieht es aus, wenn die deutsche Botschaft in Neu-Delhi zu einem Bollywood-Song tanzt.

So sieht es aus, wenn die deutsche Botschaft in Neu-Delhi zu einem Bollywood-Song tanzt.

(Foto: Youtube/Hash Dance studio)

Die Deutschen sind unlocker? Der deutsche Botschafter in Neu-Delhi hat gerade ein Tanzvideo veröffentlicht - und die Reaktion des indischen Premierministers ist überaus wohlwollend.

Von Martin Zips

Sie ist schon immer ein bisschen gemein zu uns, die Welt. Stellt die Deutschen als irgendwie unlocker und total verklemmt dar. Damit das ein für alle Mal klar ist: Wir hatten hier auch schon Marlene Dietrich, Guildo Horn und die Kaulitz-Brüder! Ist das nichts?

Außerdem haben wir bereits neun Mal den Oscar für die beste Filmmusik erhalten. Acht Mal waren das zwar Komponisten, die selbst oder deren Familien vor den Nazis in die USA geflohen waren - und jetzt gerade, das war der Soundtrack-Oscar für "Im Westen nichts Neues". Aber es ist schon gemein, dass man uns immer nur mit Kriegen und Panzern assoziiert. Die Welt sollte wissen: Wenn wir Deutsche möchten, können wir sogar Lambada tanzen! Oder Ententanz. Oder irgendetwas zu Layla.

Unser deutscher Botschafter in Indien, Dr. Philipp Ackermann (der Mann hat über niederländische Druckgraphiken des 17. Jahrhunderts promoviert), hat jetzt mit seinem Team zu "Naatu Naatu" getanzt. Das ist der erste mit einem Oscar ausgezeichnete indische Filmsong - aus dem Bollywood-Kracher "RRR". Im Film tanzen 50 indische Tänzer mit 400 Statisten, im deutschen Video sind es nur Statisten, halt so eine Art Flashmob des Botschaftspersonals. Dr. Ackermann schrieb zu dem Video, leicht rutschig: "Deutsche können nicht tanzen? Ok, alles andere als perfekt. Aber lustig!"

Toll ist, dass das Video sogar eine Reaktion des indischen Premiers Narendra Modi provoziert hat. Sie lautet: "Deutsche können klar tanzen und gut tanzen." Zu einem ähnlichen Video der Angestellten der südkoreanischen Botschaft hatte Modi zuvor geschrieben, es handele sich hier um eine "lebhafte und liebenswerte Gruppenanstrengung".

Gruppenanstrengung klingt nicht so nett. Andererseits: Ist "lebhaft und liebenswert" für Südkorea nicht irgendwie cooler als "klar und gut" für Deutschland? Da zerbricht sich der Standardtanz-Deutsche halt jetzt wieder seinen Kopf. Wenn er will, kann er nämlich schon eine verdammt coole Sau sein. Nicht nur auf der Tanzfläche. Es ist nur so schrecklich lästig, dass das niemand merkt.

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