Indien:Der Rauch der Stadt

Indien: Schülerinnen in Neu-Delhi auf dem Weg zur Schule: Gegen den Smog soll ein vor den Mund gehaltenes Tuch helfen.

Schülerinnen in Neu-Delhi auf dem Weg zur Schule: Gegen den Smog soll ein vor den Mund gehaltenes Tuch helfen.

(Foto: Sajjad Hussain/AFP)

"Delhi, Du bringst mich um": Schulen wurden geschlossen, der Ärzteverband hat den Notstand ausgerufen, die schlimmsten Befürchtungen sind eingetreten. Über die schmutzigste Metropole der Welt im Smogalarm.

Von Arne Perras, Singapur

Einen Fetzen Stoff. Mehr haben die meisten Kinder in Delhi gar nicht, um sich zu schützen. Man sah jetzt wieder diese Bilder. Wie sich die Schüler die Tücher auf den Mund pressen, auch wenn das kaum etwas nützt. Die wenigsten Leute haben eine Chance, die Stadt für einige Tage zu verlassen, um dem Schlimmsten zu entkommen. Alle anderen sind dem Moloch und seiner Luft ausgeliefert. Falls das Wort Luft überhaupt noch angemessen beschreibt, was die Bewohner der indischen Hauptstadt jeden Tag in ihre Lungen saugen.

Smogalarm. Ein toxischer Schleier hüllt die 20-Millionen-Metropole ein. Und die Behörden wirken ohnmächtig. Eine Schließung aller Schulen bis zum Sonntag haben sie angeordnet, wieder einmal. Man dürfe die Gesundheit der Kinder nicht aufs Spiel setzen, verkündete die Stadtverwaltung. Doch die Gefahr hüllt sie alle längst ein, der giftige Nebel verweht nicht so leicht, nicht bei diesem feuchten und kalten Wetter. Der Ärzteverband hat den Gesundheitsnotstand ausgerufen, nachdem die Messwerte die schlimmsten Befürchtungen bestätigten. Für die besonders gefährlichen Feinstaubpartikel, bekannt unter PM 2,5, wurde ein Wert von 700 Mikrogramm pro Kubikmeter registriert - fast dreißig Mal so viel wie die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) festgelegte Unbedenklichkeitsgrenze, die bei 25 Mikrogramm liegt.

In der Metropole Delhi, die als schmutzigste Megastadt der Welt eingestuft wird, ballen sich viele Giftschleudern auf engem Raum. Rund um die Stadt brennen die Bauern überall die Stoppeln ihrer Felder ab, außerdem pusten Kraftwerke und Fabriken Schadstoffe in die Luft, die armen Leute machen in den Straßen ihre Feuer, vielerorts brennt Plastik, von den zahllosen Baustellen wirbeln Staub und Sand durch die Viertel und zehn Millionen Autos blasen ihre Abgase in die Straßen. Und dann ist da noch das Wetter, Meteorologen sprechen von der Inversionslage in den kalten Monaten, die toxische Luft bleibt wie unter einer Glocke am Boden hängen, kein Wind, der sie wegblasen könnte.

"Delhi, Du bringst mich um", titelte die Zeitung Times of India. Und die Experten warnen: Es wird in den nächsten Tagen kaum besser. Eher schlimmer.

Der Lungenspezialist Randeep Guleria berichtet in der Zeitung The Hindu, dass sich die Ambulanzen der Krankenhäuser mit Patienten füllen; sie husten, niesen, klagen über Atemlosigkeit und Schmerzen in der Brust. Ärzte registrierten in den vergangenen Tagen einen Anstieg der Fälle um etwa 20 Prozent. Masken und Luftreiniger in den Häusern können die Risiken ein wenig mindern, aber sicher ist niemand. Nur wer fortkommt, hat eine Chance, wieder richtig durchzuatmen.

Langfristig ist ein gutes öffentliches Nahverkehrsnetz entscheidend, um die Belastungen zu mindern, doch der Ausbau geht schleppend voran. Solange es nicht gelingt, all die anderen Staubquellen innerhalb und außerhalb der Stadt zu entschärfen, wird sich an den verheerenden Wintermonaten mit ihrem toxischen Schleier nur wenig ändern. "Er ist ein stiller Killer", sagt Lungenarzt Guleria.

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